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Populär und leidenschaftlich

Die Zeitschrift als Modell: „SuperUmbau“ diskutiert Urbanität  ■ Von Julia Mummenhoff

Die Urbanität sei ein Phänomen der Neuzeit, spätestens des 19. Jahrhunderts, konstatierte Richard Sennett in seinem Buch Civitas. Noch immer gilt die Stadt als Brennglas der Konflikte einer Gesellschaft und als Bühne, auf der über die Zukunft entschieden wird. Kein Zufall, daß die heute vielfach geführte Rede vom Ende der Moderne sich mit der vom Ende der Städte vermischt.

In der bildenden Kunst ist seit Anfang der 90er Jahre die Frage nach der Funktion des Ortes wieder aktuell. Eine neue ortsspezifische und zugleich mobile künstlerische Praxis setzt sich durch, und eine wachsende Zahl von interventionistisch arbeitenden KünstlerInnen mischt sich direkt in städtebauliche Prozesse ein. Diese Vielzahl an Diskursen hat seit einiger Zeit ein kurzweiliges Forum: SuperUmbau – die Zeitung für den leidenschaftlichen Urbanisten liegt jetzt in ihrer dritten Ausgabe vor. Die Idee nahm Herausgeberin Ania Corcilius vor zwei Jahren von einem Workshop zum Thema „Kunst und Stadt“ mit nach Hause. Der Stuttgarter Kunstverein hatte KünstlerInnen aus Hamburg zu dem einwöchigen Projekt eingeladen, das man, da das Haus sich im Umbau befand, „Umbau“ genannt hatte.

Hinter SuperUmbau steckt das Konzept, eine populäre Architekturdebatte zu führen. Der Zusatz „Super“ ist als Tribut an das gewünschte Erscheinungsbild als Boulevardblatt zu verstehen. Es geht darum, verschiedene Redeweisen über Stadt und Architektur zusammenzubringen, daher zielt auch das von Janine Sack gestaltete Layout auf Verbindung und nicht auf optische Trennung der Texte.

In der aktuellen Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Mobilität“ haben Essays über Einwanderung nach Irland (Brian Hand) genauso Platz wie eine Betrachtung über das Autofahren in Los Angeles (Helena Huneke), eine Skelettierung des Telekommunikationswesens („Par-tielle Blendung“ von Dany/Ohrt), das Tagebuch einer Zugfahrt (Anette Wehrmann) und eine Analyse der aktuellen „Site Specifity“-Diskussion von Nina Möntmann.

Ihr Interesse für Architektur kultivierte Corcilius während ihres Studiums an der Hamburger Hochschule für bildende Künste und zwei langen New York-Aufenthalten. Dort organisierte sie in einer Wohnung der gigantischen Siedlung „Stuyvesant-Town“ in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrem Domizil die Ausstellung This is your home. Die zweite Ausgabe von SuperUmbau, „Über Peripherie“, entstand in New York im Rahmen des „Whitney Programs“.

Kunst, meint die 31jährige, sei nicht gesellschaftsverändernd, aber eine Art „Kindergarten zum Ausprobieren von Ideen“. So bleibt SuperUmbau mit der 500er-Auflage ein Modell. Ein funktionstüchtiges, betrachtet man das Netz von Kontakten, das sich durch die ersten drei Ausgaben knüpfte: Allister Bonnet, Geograph und Herausgeber des Londoner intellektuellen Pendants Transgressions, bot Zusammenarbeit an, und in der aktuellen SuperUmbau ist sein Beitrag „Road Runners“ zu lesen.

„Leidenschaftlicher Urbanismus“ zielt nicht nur auf die Stadt als subjektiven Erlebnisraum, sondern ist als Aufforderung zur Einmischung, zur Aktivität zu verstehen. SuperUmbau Nummer 4 soll sich im Herbst mit dem Schwerpunkt „Architektur und Gedächtnis“ mit aktuellen urbanen Problemen beschäftigen. Beteiligung ist erwünscht.

Infos unter Telefon 380 5004; „SuperUmbau“ gibt es u.a. bei Sautter&Lackmann, Admiralitätstraße 71, und im Tele 5.

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