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In welches Schlupfloch verkriecht sich der Gen-Mais?

■ betr.: „Klarheit für Verbraucher bei Gen-Soja, taz v. 22. 5. 98

Nach dem monatelangen Verwirrspiel seitens der EU-Kommission und des Ministerrats bezüglich der Kennzeichnung von Mais und Soja trägt nun auch die taz ihr Schärflein dazu bei, weiterhin keine Klarheit für Verbraucher zu schaffen. Es ist völlig unverständlich, warum sich die taz auf die Verlautbarungen der Europäischen Kommission reudziert.

Zwar ist zu begrüßen, daß der Agrarministerrat endlich zu einer Entscheidung für die Neuregelung bei der Kennzeichnung von Mais und Soja gekommen ist, dabei handelt es sich allerdings um eine Mogelpackung. Die Schlupflöcher bei der Kennzeichnung lassen befürchten, daß der Verbraucher auch in Zukunft nicht wissen wird, ob ihm gentechnisch manipulierter Mais und Soja aufgetischt wird oder nicht.

Ein Schlupfloch ist der vorgesehene Grenzwert. Unterhalb eines noch nicht festgelegten Anteils von genmanipuliertem Mais und Soja im Endprodukt soll das ganze Produkt nicht kennzeichnungspflichtig sein. Dies ist verbraucherpolitisch völlig unakzeptabel.

Die Kennzeichnungspflicht gilt ohnehin nur für einzelne Produkte. Das führt dazu, daß in zwei nicht kennzeichnungspflichtigen Produkten zusammen mehr Gen-Soja oder -Mais enthalten sein kann, als in einem gekennzeichneten. Die bislang ungeregelten gentechnisch hergestellten Zusatzstoffe werden somit auch künftig nicht reguliert werden.

Ein weiteres Schlupfloch ist die Entscheidung, eine Liste mit Nahrungsmitteln zu erstellen, die von vornherein von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden. Sie sollen aufgrund der angenommenen Nichtnachweisbarkeit der Genmanipulation als gentechnikfrei gelten dürfen. So hat die Bundesregierung vorgeschlagen, raffinierte Öle und Maisstärke grundsätzlich von der Kennzeichnung auszunehmen. So eine Liste ist hochproblematisch, da sie statisch ist. Sie weist heute als gentechnikfrei aus, was sich bei verbesserter Analysemethode schon morgen als genmanipuliert herausstellen könnte. Zu befürchten ist, daß die Liste auf Druck der Mitgliedsstaaten zur Endlosliste anwächst. Zudem lädt eine derartige Liste zum Pantschen und zum Betrug ein.

Aufgrund der Parlamentsinitiative der Grünen konnte zwar der völlig unakzeptable Kennzeichnungsvorschlag der Kommission „kann enthalten“ abgewehrt werden. Mit der effektiven Frist von neun Monaten bis zum Beginn der Kennzeichnungspflicht werden aber die Verbraucher weiter hingehalten. Dazu darf, bei den wenigen genmanipulierten Produkten, die überhaupt noch gekennzeichnet werden müssen, die Kennzeichnung im Kleingedruckten stehen. Völlig fehlen Durchführungsvorschriften für unverpackte Produkte.

Notwendig wäre ein kontroliertes Zertifikatsystem, das vom Anbau bis zum Endprodukt die Genmanipulation kennzeichnet. Nur dies gewährt eine lückenlose Kennzeichnung vom Acker bis auf den Tisch. Die nun getroffene Entscheidung beendet das Verwirrspiel für den Verbraucher nicht. Hiltrud Breyer, Mitglied des EU-Parlaments, Mandelbachtal

betr: „EU will Gen-Kennzeichnung aushöhlen“, taz v. 20. 5. 98

Ich möchte aus der Sicht eines „Insiders“, der seit langem für eine vernünftige Kennzeichnung genveränderter Lebensmittel eintritt, zu dem Artikel von Alois Berger ein paar Anmerkungen machen: Behördenschelte geht immer leicht von der Hand, aber wer sich etwas tiefer mit der Materie befaßt, erkennt das Dilemma der Kennzeichnungregelungen: Die jetzt gewählte Option besteht darin. all die Dinge zu kennzeichnen, die im Endprodukt nachweisbar und überprüfbar sind. Dann fallen zwangsläufig viele Nahrungsbestandteile „unter den Tisch“, die ursprünglich aus gentechnisch veränderten Rohprodukten oder mit Hilfe z.B. gentechnisch erzeugter Enzyme hergestellt wurden, in denen aber nichts mehr nachweisbar ist, z. B. Öle, Stärke, Glucose. All diese Bestandteile als „gentechnisch verändert“ zu kennzeichnen, wäre aber auch falsch, weil sie zum Teil noch aus unveränderter Rohware stammen. Letztlich könnte nur ein lückenloser Quellennachweis Klarheit schaffen - wer möchte angesichts der internationalen Vernetzung von Lebensmittelproduktion und -handel dafür garantieren bzw. den notwendigen bürokratischen Aufwand bezahlen? Die andere Option wäre eben die vom Europaparlament abgelehnte „kann ... enthalten“-Kennzeichnung. Die ist nicht nur unklar, sondern auch ziemlich überflüssig - mittlerweile hat es sich in aufgeklärten Verbraucherkreisen wahrscheinlich herumgesprochen, daß ein großer Teil der industriell hergestellten Lebensmittel irgendwie mit Gentechnik in Berührung gekommen ist (siehe oben). Was meint Alois Berger, wenn er im Zusammenhang mit Gentechnik zwischen Natur- und Laborprodukten unterscheidet? Wo in der Natur gibt es die Soja- und Maispflanzen, die auf unseren Äckern wachsen? Selbst der Kohlkopf vom Ökobauernhof ist Produkt menschlicher Manipulation der Natur über Jahrhunderte, und er wächst nur, wenn man ihm gute Bedingungen schafft und ihn vor Konkurrenz und Fraßfeinden schützt. Der Großteil unserer Ernährung wird durch industrielle Verfahren in Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sichergestellt. Die negativen Folgen für unsere Umwelt einzugrenzen ist Verpflichtung für alle Beteiligten - nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen das Ziel. „Zurück zur Natur“ geht nicht mehr bzw. ist eine sehr elitäre Vision: zu wenig Platz auf diesem Planeten für jedermanns Baumhäuschen und Gemüsebeet! Dr. Andreas Seiter, Novartis Deutschland GmbH

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