■ Querspalte: Mehr oder weniger schratig
Der amerikanische Millionär J. Stephen Fossett ist bei seinem vierten Versuch, die Erde in einem Heißluftballon ohne Zwischenstopp zu umrunden, gescheitert und kurz vor Australien ins Meer gestürzt. Im Alltag leitet Ballonflieger Fossett übrigens ein Unternehmen, das nichts anderes tut, als an den Börsen dieser Welt zu agieren. Da drängt sich ein Zusammenhang zwischen Spekulation und Ballonfahren geradezu auf: Bekanntlich liegt dem zeitgenössischen Börsengeschehen ja keine gesellschaftliche Verantwortung, sondern der reine Spieltrieb zugrunde. Auch ihre Freizeit verbringen die Börsianer scheinbar nach der Devise: möglichst kindisch (hier: Ballon) und gleichzeitig möglichst am höchsten, schnellsten, weitesten (hier: gleich um die ganze Welt). Verglichen mit Geldsäcken, die ihre Millionen in klassischen Branchen erwerben, ist das Hobby Ballonfahren allerdings keineswegs besonders schratig. Prinz Jefri Bolkiah etwa, als Finanzminister von Brunei durch ganz gewöhnliche Staatsausplünderung reich geworden, ist ein Sammler. Des Prinzen Steckenpferd sind freilich keine Briefmarken, sondern 600 Luxusautos und eine ähnliche Anzahl von Geliebten in seinem Besitz. Auch Elton John, durch schmalzige Songs auf Tote und Untote wohlhabend geworden, pflegt seltsame Hobbys. In den Achtzigern pumpte er als Freizeitpräsident viel Geld in den englischen Fußballclub Watford.
Ballonfahrer Fossett hingegen erinnert doch beinahe an die Romanhelden von Jules Verne. Wohlhabende Gentlemen, die in ihren Londoner Clubs vor lauter Langeweile wetten: die Welt in vierzig Tagen zu bereisen oder sich in einem Projektil zum Mond schießen zu lassen. Ein Gentleman aus der Phantasie Vernes wettete übrigens, fünf Wochen über Afrika zu schweben – mit einem Ballon. Das unangenehmste Hobby hat freilich der deutsche Millionär Gerhard Frey. Er hat sein Geld recht konventionell als Verleger gemacht und leistet sich die rechtsextreme Pseudopartei DVU. So ein Hobby ist nun wirklich mehr als schratig. Robin Alexander
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