: "Das nennt Ihr eine Kolumne?"/ Gewinne dem Anleger, Verluste der Bank / Deutschland und Martin Walser / die "guten Sitten" gibt es kaum
betr.: „Herr Hefele kriegt zwei Minuten“, taz vom 13.10.98
Ein Leserbrief ist eine feine Sache. Der ihn Schreibende darf sich über eine ihm weitgehend freistehende, nur von alphabetischen Grenzen und dem Umfang seiner eigenen Sprachmächtigkeit beschränkten Anzahl von Schriftzeichen an die Redaktion und/oder einen bestimmten Autor wenden und ihm im Prinzip alles, was an Gedanken hereinkommt, zumuten. Der Leserbriefschreiber kreuzt in einem extrem wendigen Schiffchen auf seinem thematischen Binnengewässer, wirft nachlässig sein Netz aus und guckt, was sich drin sammelt. Das Netz eines Leserbriefs ist sein auslösender Grundgedanke und heißt im vorliegenden Falle „Das nennt Ihr eine Kolumne???!?“
Ziemlich ideal gewählt, denn „Das nennt Ihr eine Kolumne???!?“ kann mehrere Dinge bedeuten: Was soll der Quatsch? Seit wann druckt Ihr Artikel aus kirchlichen Jugendzeitschriften nach?
Wenn demnächst auch andere Sparten in der taz in einem derartigen dröge-öde-bieder-Mir-fällt-nun-wirklich-gar-nichts-mehr-ein- also-schreibe-ich-am-besten-über-das-Schreiben-selbst-obwohl- mir-dazu-leider-auch-überhaupt-nichts-einfällt-Stil verfaßt werden sollen (zum Beispiel: „Ein Leitartikel ist was Schönes, weil man darin, am besten in der Sprache des Gebietes, in dem der Leitartikel den geneigten Leser erreichen soll, Informationen einbauen kann, die sowohl nützlich als auch sehr interessant sein können...“), dann werde ich die taz-Lektüre lieber auf den Abend verschieben, wo es nichts macht, wenn ich nach drei Zeilen fest schlafe. Michael Sailer, das bin übrigens ich; München
Gewinne dem Anleger, Verluste der Bank?
betr.: „Ein Boom-Boo-Bumerang“ (tazThema: Geld und Versicherungen), taz vom 10./11.10.98
Es ist sicherlich richtig, daß Anleger bei dem Kauf von Immoblien im Bereich von Steuersparmodellen gerade in den letzten Jahren von den von ihnen selbst eingeschalteten Vermittlern und Beratern falsch beraten wurden. Erstaunlich ist aber der Schluß des Verfassers, daß dem „armen Anleger“ nur die Hoffnung bleibe, daß die von dem Anleger zwecks der Finanzierung des Immobilienkaufes direkt oder über einen Bevollmächtigten des Anlegers eingeschaltete Bank für den Schaden haften solle.
Wieso soll eigentlich der im Artikel schon fast als Sozialfall „beweinte“ Anleger, der beim Hören des Begriffs „Steuersparmodell“ offensichtlich blind vor Gier wird und der letztlich auf Kosten der steuerzahlenden Allgemeinheit offensichtlich für sich ein Recht auf individuelle Vermögensbildung reklamiert, nicht für das allein von ihm verursachte Risiko der Wertentwicklung der von ihm erworbenen Immobilie einstehen? Sei es wegen einer Falschberatung durch den Verkäufer / Vermittler – hier spart der kostenbewußte und gewinnsüchtige Anleger natürlich auch schon bei der Auswahl – oder eben wegen dem jedem Kauf üblicherweise zugrundeliegenden Risiko der Wertentwicklung.
Banken haften für vieles, dies sicherlich auch zu Recht, hier fehlt aber für einen Haftungsanspruch jeder Zusammenhang zwischen dem vom Anleger verursachten und damit zu verantwortenden Risiko und der vom Anleger gewünschten Finanzierung durch die Bank. Es ist eben nicht so, daß Gewinne vom Anleger vereinnahmt werden und Verluste automatisch zu Lasten der Allgemeinheit oder hier eben der Bank „sozialisiert“ werden. Bernd Lohn, Syndikusanwalt, Berlin
Deutschland und Martin Walser
betr.: „Die Banalität des Guten“, „Bekenntnisse eines Unpolitischen“, taz vom 12.10.98
Martin Walser will das Mahnmal nicht, weil er es wie ich für grundfalsch hält. [...] Der eigentliche Skandal ist es, Walser als geistigen Brandstifter zu beschimpfen und in einem Atemzug mit dumpfen Rechtsextremisten zu nennen. Selbstverständlich gibt es geistige Brandstifter, die es viel stärker als bisher zu bekämpfen gilt, doch diese werden geadelt durch eine Gleichstellung mit Walser.
Wenn denn dieses Mahnmal tatsächlich gebaut würde; wie lange sollte es dann stehen bleiben und die Schuld der Deutschen gegenüber den Juden manifestieren, für ewig? [...] Götz Niemann, Glückstadt
Bis zum 27. September waren Deutschland und Helmut Kohl eins. Seit dem 11. Oktober wissen wir, daß Deutschland Martin Walser und Martin Walser Deutschland ist.
Der Verfasser dieser Zeilen, der nicht ungern die Last trägt, ein Deutscher zu sein, begreift sich als einen Teil Deutschlands. Ist er damit automatisch auch ein Teil von Martin Walser? Das wäre allerdings kaum auszuhalten! Uwe Tünnermann, Lemgo
Die „guten Sitten“ gibt es kaum
betr.: „Makabres Arrangement zum Anfassen“, taz vom 8.10.98
[...] Gute Publicity muß nicht unbedingt schlechte oder falsche Motivation sein. Denn mittlerweile braucht jedes auch nur etwas größere Projekt, ob in der Kunst oder anderswo, entweder gute PR oder einen guten Sponsor. Andererseits wissen wir wissen wohl alle, daß auch Hunderttausende kopflos hinter etwas herrennen können, ohne daß die Sache deshalb gerechtfertigt wäre.
Was mich in diesem Zusammenhang viel mehr interessiert, sind Fragen zur Ethik, Moral und Grenzüberschreitungen. Und da wundert es mich, daß dieses Zurschaustellen von Toten diesbezüglich mehr Diskussionen auslöst als beispielsweise Hedge Fonds, Waffenlieferungen in Krisen- bzw. Kriegsgebiete, Wohnungsspekulation usw. [...]
Die „guten Sitten“ gibt es kaum. Gesetze, die Verstöße dagegen regeln, sind zumeist dehnbarer als Gummi. Und vor allem ist doch das liebe Geld weit wichtiger als alle guten Sitten. Diese werden geregelt von der Marktwirtschaft wie oft auch die Gesetze selbst. [...] Rupert Weis, St. Leon-Rot
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