Nur die Hütchen sind anders

Beim heutigen Spiel gegen die Niederlande wollen DFB-Teamchef Ribbeck und Team die Tauglichkeit eines „altmodischen Systems“ namens Matthäus nachweisen  ■ Von Peter Unfried

Gelsenkirchen (taz) – Das Training im Parkstadion ging deutlich seinem Ende zu, als ein Knecht zu Ulrich Stielike eilte und die Frage formulierte: „Hüttche braucht ma nimmer?“ Der DFB-Trainer schüttelte („Na“) energisch den Kopf, der Knecht trug ab, und da sah man erst, wie hypermodern die deutschen Verbandstrainer arbeiten. Die Hütchen sind heutzutage vielfarbig und halbmondförmig und haben nichts mehr gemein mit den orangenen Kegeln der Ära Vogts.

Die Taktik, mit der es heute (20.15 Uhr, ZDF) an selber Stelle gegen das Weltklasse repräsentierende Team der Niederlande geht, ist freilich die angeblich bewährte, also jene mit einem tiefliegenden Libero Lothar Matthäus. Damit hat man schließlich zuletzt bei zwei Weltmeisterschaften das Viertelfinale erreicht. Gewonnen haben die ohne Libero. „Sollen wir jetzt die WM zu Ende diskutieren?“ fragte Erich Ribbeck (61) gestern für seine Verhältnisse fast unwirsch und natürlich rhetorisch. Im Gegenteil: Der Teamchef will gegen die niederländische Moderne vielmehr „hinterfragen, ob das altmodische System nicht doch mithalten kann“. Ihn plagt noch immer sein vor vielen Jahren gescheiterter Versuch, bei Bayern München die Viererkette einzuführen. Seither glaubt er: „Wir können jetzt nicht etwas umstellen, was wir nicht von klein auf gelernt haben.“

Sein Co-Trainer sieht das etwas praxisnäher. Stielike verweist auf die sich anbahnende „Trendwende“ im deutschen Jugend- und Amateurbereich. 3-5-2, sagt er, sei „eigentlich logisch“, da „95 Prozent der Gegner mit zwei Spitzen spielen“. Das Sagen hat aber Ribbeck, und der bekommt zumindest offiziell Unterstützung von deutschen Profis. Christian Wörns etwa, bekanntlich kein Ribbeck- Freund („man muß akzeptieren, wie alles gekommen ist“), meint, die Kette sei „auch nicht der Weisheit letzter Schluß“. Und Kapitän Oliver Bierhoff sagt, man könne nicht in wenigen Tagen Raumdeckung erklären, „wenn ein Spieler gewohnt ist, zwanzig Jahre hinter seinem Mann herzurennen“. Eigentlich ist er aber natürlich „ein Freund der Abwehrkette“, die von den Spitzenklubs in Italien praktiziert wird. Nun könnte einer sagen: Logisch, ansonsten wären sie keine Spitzenklubs. Der höfliche Bierhoff sagt das natürlich nicht. Aber er hat beim AC Mailand gemerkt, daß man sich bei zugegebenem „Restrisiko“ damit „viele Chancen herausarbeitet“. Mithin etwas, was das DFB-Team während und nach der WM nicht zustande gebracht hat.

Bierhoff hat sich mit den Kollegen ein Video vom niederländischen 2:0 gegen Peru angesehen und war mächtig angetan davon, wie Frank Rijkaards Team erstens aus der Kette „mit zwei, drei Kontakten“ zügig nach vorne stößt. Zweitens, daß man risikominimierend „das Dribbling mehr oder weniger den Stürmern“ überläßt. Es ist gemein: Die Niederländer haben die bessere Technik und das System „in Fleisch und Blut“ (Stielike). Die Deutschen haben dafür Spielmacher und Libero. Und wehe, einer sagt, daß man die heutzutage nicht mehr braucht. Rückkehrer Andreas Möller (31) wird langsam aufgebaut. Er braucht nicht nervös zu sein. Ribbeck will ihn „sicher nicht nach einem Spiel beurteilen“. Rückkehrer Lothar Matthäus (37) ist trotz gewisser Bedenken der Öffentlichkeit die Ruhe selbst. „Die Welt ist sehr negativ“, sagte er gestern nachdenklich, „ich bin positiv.“ Leise rieselte der Schnee auf den Rasen.