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Von Antigone zu Ulrike Meinhoff

■ In einem Portraitkonzert tritt heute der „Polit“-Komponist Frederick Rzewski auf

Der 1938 in Massachusetts geborene Weltklassepianist Frederick Rzewski hat sich früh für ein politisches Engagement entschieden. Das hatte auch Auswirkungen auf seine musikalische Laufbahn, denn eines Tages begann er, selbst zu komponieren. Mir ist noch in Erinnerung, daß in der Aufführung „Coming together“ 1981 in Frankfurt aus Protest Gegenstände auf die Bühne geworfen wurden und das Publikum scharenweise den Saal verließ. In diesem Stück hatte Rzewski zu einem Brieftext des Häftlings Sam Melville, der im berüchtigten New Yorker Zuchthaus Attica einsaß und dann unter ungeklärten Umständen von Wärtern erschossen wurde, eine Musik geschrieben. Sie sollte in ihrem hypnotischen Auf- und Abwallen den Widerstand inmitten der Brutalität zeigen. Seine monumentalen Klaviervariationen „The people United will never be defeated“ (1975) nach der gleichnamigen Hymne der chilenischen Unidad Popular sind einerseits ein Kompendium verschiedenster „Klavierstile“, andererseits sind sie ein Stück unüberhörbar politischer Konnotation.

1982 vertonte der amerikanische Komponist, der zunächst sowohl von John Cage als auch von Karlheinz Stockhausen beeinflußt war, die Brechtsche Fassung der „Antigone“ von Sophokles, die heute abend im Überseemuseum aufgeführt wird. Antigone, die vom thebanischen Machthaber Kreon nichts anderes verlangte, als ihren Bruder Polyneikes begraben zu dürfen und sich durch diesen Wunsch radikal ins gesellschaftliche Abseits begibt, ist von jeher eine Widerstandsfigur schlechthin: Sie wird mit ihrem Verlobten Haemon, einem Sohn Kreons, lebendig begraben. Rzewski sieht eine Parallele zu Ulrike Meinhoff. Während der Arbeit hatte er, wie er sagt, nie das Gefühl einer Begegnung mit der Vergangenheit, sondern „im Gegenteil einer Kontinuität bis heute“.

Die Antigone-Oper ist für zwei Personen geschrieben, eine Pianistin und eine Sängerin. Die in Bremen schon bekannte Pianistin und Performerin Tomoko Mukaiyama wird den Klavierpart übernehmen, Jannie Pranger singt die Titelpartie. Außerdem wird in diesem Porträtkonzert zum 60sten Geburtstag von Frederick Rzewski ein schon 1938 – anläßlich der Reichspogromnacht – geschriebenes Klavierwerk aufgeführt: „Mayn Yingele“ (mein Söhnchen). Rzewski spielt das Stück selbst. Und der Schlagzeuger und Performer Matthias Kaul interpretiert „Lost and Found“, mit dem Rzewski den erschütternden Brief eines Vietnamsoldaten verarbeitet.

usl

Heute abend, 20 Uhr, Übersee-Museum: Piano Adventures“ Nr. 20, Portraitkonzert Frederick Rzewski.

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