■ Psychohygienische Entschlackung heute: Der Verdammungsausschuß: Schönes Ehrenamt
Vor 20 Jahren war es noch einfach, sich zu rächen. Wurde man von seinem Chef schlecht behandelt, gründete man eine revolutionäre Betriebsgruppe und schlug so lange Krach, bis der Peiniger ein weißes Fähnchen schwenkte und eine Kapitulationsurkunde unterzeichnete, in welcher zu lesen war, daß er alle verteilten Kopfnüsse und Standpauken bereue und deshalb absolut einverstanden sei, die Firma zur Entschädigung seiner Angestellten zu sozialisieren.
Heutzutage indes ist die Umwälzung der Besitzverhältnisse genauso unschick wie das Verspeisen eines Pottwal-Carpaccios. Doch muß man deshalb gleich alle Gemeinheiten schlucken und auf ein Magengeschwür hinarbeiten? Ich sage: nein! Denn eine umfassende psychohygienische Entschlackung läßt sich genausogut durch eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Verdammungsausschuß erreichen.
Zur Gründung eines Verdammungsausschusses braucht man nichts weiter als ein paar mißgelaunte Freunde, und weil man ja nicht der einzige ist, der täglich mehrere Leberhaken verpaßt kriegt, ist ein beschlußfähiges Gremium im Nu zusammengetrommelt. Schon läutet der Versammlungsleiter sein Glöckchen. „Der Verdammungsausschuß“, ruft er uns in Erinnerung, „hat die Aufgabe, Gerechtigkeit zu schaffen. Er ist dazu befugt, den Plagegeistern und Schikaneuren dieser Welt eine angemessene Strafe aufzubrummen, welche sie nach Ablauf ihres Haltbarkeitsdatums in der Hölle abzusitzen haben.“
Es folgt ein artiger Applaus für die bündige Explikation, ehe unser geschätztes Senatsmitglied Udo den heutigen Verhandlungsreigen mit einer gepfefferten Anklage gegen die Musikkapelle Pur eröffnet, welche sein Gute-Laune-Zentrum bereits am frühen Morgen via Radiowecker in Trümmer legte. „Ich jedenfalls bin der Meinung, daß diese Burschen sich schon mit den Zeilen ,Hör gut zu, du bist mein Glück./ Nicht immer, aber immer wieder bin ich total durch dich verzückt‘ 20.000 Jahre bei 850 Grad Celsius verdient haben“, wettert er, und weil das eine durchaus angemessene Strafe für Gehörgangsverschmutzung ist, wird sein Vorschlag einstimmig angenommen.
Nicht sehr viel besser ergeht es einer Jeansverkäuferin, die unseren Kollegen Andreas mit den Worten „Wir führen keine Übergrößen!“ in ihrem Geschäft empfing: Sie wird zu 99 Tauchgängen in Luzifers Frit-O-Maten verdonnert, ehe wir uns meinen Chef vorknöpfen, der wegen schurkischer Bösartigkeit im Wiederholungsfall mit einem Badeurlaub in den Magma- Kavernen des Ätna und anschließender Sicherungsverwahrung in einem Dampfkochtopf bestraft wird. Daneben stellen wir einem Heimwerker, einem Busfahrer, einem Bankbeamten und diversen Fußballreportern die Quittung für ihre Missetaten aus, und auch der Bischof Dyba wird nach seinem Ableben eine gehörige Überraschung erleben.
Zum Abschluß unserer Sitzung widmen wir uns wie immer der beliebten Pauschalverdammnis und verurteilen sämtliche Hundebesitzer, Cabriofahrer und alle Mitglieder der militanten Nichtraucher- Kamarilla zu 5.000 Jahren in einer Zelle mit dem Scorpions-Sänger Klaus Meine, welcher unablässig „Winds of Change“ pfeift.
Kann sein, daß Sie jetzt mächtig bleich um die Nasenspitze geworden sind. An ein Berufungsverfahren aber brauchen Sie gar nicht zu denken. Tragen Sie es statt dessen mit Fassung, wenn Sie in den nächsten Tagen unseren Bescheid erhalten. Geben Sie diesen Bescheid nach Ihrem Hinscheiden an der Anmeldung ab. Und machen Sie bitte gar nicht erst den Versuch, Ohrenstöpsel an unserem Wachpersonal vorbeizuschmuggeln. Joachim Schulz
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