Kommentar: Endliche Herrschaft
■ In Nahost steht jetzt die Autorität der Machthaber zur Disposition
Saudi-Arabiens König Fahd an Leberzirrhose, Syriens Präsident al-Assad an Herzinfarkt oder Leukämie, Libyens Revolutionsführer Gaddafi an Parkinson, Paläsitenserpräsident Arafat an einem Blutgerinnsel im Gehirn ... Der Tod des jordanischen Königs dürfte in etlichen arabischen Herrscherhäusern einmal wieder den Umstand ins Bewußtsein gerückt haben, daß das Leben endlich ist – trotz aller selbstgepflegten Unantastbarkeit. Ägyptens früheren Präsidenten Nasser trieb diese Erkenntnis einst sogar zu Tränen.
Jordanien ist nur einer von vielen arabischen Staaten, an deren Spitze ein todkranker Mann steht respektive stand. Dennoch versuchen die Mächtigen bis zum letzten Atemzug durchzuhalten. Zu groß ist die Gefahr, daß der eigene Abgang Veränderungen im Land nach sich zieht, daß UntertanInnen plötzlich BürgerInnen sein wollen. Um dies auch über den eigenen Tod hinaus zu verhindern, wollen Herrscher ihre Nachfolge dynastisch regeln. Hussein von Jordanien inthronisierte wenige Tage vor seinem Tod Sohn Abdullah. Saudi-Arabiens siecher König Fahd hat die Amtsgeschäfte de facto seinem jüngeren Bruder, Kronprinz Abdallah, übergeben. Syriens Präsident Assad präsentiert seit dem Tod seines ältesten Sohnes Bassil den jüngeren Baschar als Nachfolger, und Iraks Saddam Hussein hat seinen ältesten Sohn Udai auf die Machtübernahme vorbereitet.
Doch den Erben ist gemein, daß ihre Akzeptanz weit geringer ist als die ihrer Mentoren. Syriens Baschar, ein abgebrochener Student der Augenmedizin, wird sich nicht gegen seine Feinde in Militär und Geheimdiensten durchsetzen können, und Iraks Udai wird sich mit seinem jüngeren Bruder, den Militärs und den Mitgliedern des Revolutionären Kommandorats blutig um die Macht schlagen müssen. Und Jordaniens Abdullah? Es ist unwahrscheinlich, daß sich ein Mittdreißiger durchsetzen kann, dessen einzige politische Funktion bisher darin bestand, die Palastgarde zu befehligen.
In Jordanien steht jetzt die Autorität des Herrschers zur Disposition – und das hat Vorbildfunktion für viele andere Staaten. Die meisten Söhne der nahöstlichen Herrscher wären an der Staatsspitze genausowenig legitimiert wie ihre Väter. Nach deren Ableben wird also die Legitimation der Machthaber an sich in Frage gestellt werden. Das bedeutet Instabilität, aber auch eine Chance. Thomas Dreger
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