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■ QuerspalteLöwen los!

Die Geschichte des Abendlandes muß neu geschrieben werden: „Nero war doch kein Brandstifter!“, erklärt Dr. Dieter Buhmann von der Uni Saarbrücken. Bisher dachten wir, der Gesang und Orgien liebende Tyrann habe 64 nach Christus die ewige Stadt im Wahnsinn angezündet. Und anschließend den Löwen im Circus ein Festmahl und dem jungen Christentum eine ganze Mannschaft Märtyrer beschert.

Doch nun belegen „neuere Forschungsergebnisse, so Dr. Buhmann, „ein zufällig ausgebrochenes Feuer“ habe wegen „ungünstiger Wetterverhältnisse“ mehrere Bezirke Roms vernichtet. „Zufällig“ oder wegen „ungünstiger Wetterlage“ bricht aber in der Geschichte gar nichts aus. Einer ist immer Schuld. Marcus Licinius Crassus etwa hätte Rom nicht einfach so abfackeln lassen. Der unterhielt 150 Jahre vor Nero eine privaten Feuerwehr. Brannte es irgendwo, machte Crassus dem händeringenden Besitzer ein Kaufangebot. Erst wenn die brennende Hütte ihm gehörte, löschten seine Leute. Mit dieser Methode erwab Crassus (lat.: „der Dicke“) nicht nur immensen Immobilienbesitz, sondern noch einen plastischen Beinamen: „dives“, der Reiche.

Dick und reich war wenig später nicht mehr angesagt, als Kaiser Augustus das Imperium übernahm. Der war ein notorischer Wohltäter, der seinem Volk nicht nur 50 Jahre Sieg- Frieden, Brot und Spiele vom Feinsten und Arbeitsplätze in der Tempelbau-Industrie bot, sondern auch die erste Berufsfeuerwehr der Welt gründete. Seine „cohortes vigilum“, 7.000 Freigelassene, waren ab 6 n. Chr. für das Löschen verantwortlich und ließen 60 Jahre später Rom „kontrolliert abbrennen“. Nicht der dekadente Nero, sondern sein edler Amtsvorgänger und seine Löschbeamten tragen also die Verantwortung für die Brandkatastrophe. Wie sagten schon Michael Naumann und Leonid Breschnew: Wer nicht bereit ist, aus den Fehlern der Geschichte zu lernen, ist verdammt, sie zu wiederholen. Für Berufsfeuerwehr und Wohlfahrtsstaat heißt das: Laßt die Löwen los! Robin Alexander

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