: Frieden wird kurdische Proteste verhindern –betr.: „Die Kurden sind bereit, den Kampf fortzusetzen“, taz vom 18. 2. 99
Es ist schon bemerkenswert. Da veröffentlicht die taz ein Interview mit der Europasprecherin der PKK ausgerechnet einen Tag, nachdem die seit langem größten bundesweiten Krawalle die Republik beschäftigt haben. Und keine einzige der immerhin zwölf Fragen geht um das, was hierzulande die Gemüter bewegt: ob und inwieweit es legitim ist, die Gewalt in andere europäische Staaten zu tragen.
Ich kann nur hoffen, daß dies ein Versehen war. Doch gleichgültig, ob Versehen, also journalistisches Unvermögen, oder Absicht (weil man meint, dies sei eben die falsche Frage, was meines Erachtens noch schlimmer wäre): Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, daß die taz alle Chancen, sich als interessantere Zeitung im Blätterwald zu behaupten, vergibt oder erst gar nicht wahrnimmt. Ulli Kulke, Journalist, Berlin
betr.: „Schnellschuß gegen militante Kurden“ u.a., taz v. 19. 2. 99
Deutsche PolitikerInnen fordern ein faires Verfahren für Abdullah Öcalan, um im gleichen Atemzug einen Rechtsabbau zu planen, der die Abschiebung von KurdInnen erleichtern soll. PolitikerInnen der neuen und alten Mitte zweifeln offensichtlich die türkische Rechtsstaatlichkeit an und versagen selbst bei der Wahrung der Menschenrechte für KurdInnen, denn es dürfte außer Frage stehen, daß abgeschobenen KurdInnen in der Türkei Folter und Inhaftierung drohen.
Während die alte Bundesregierung von der Türkei noch ein Lippenbekenntnis zur Wahrung der Menschenrechte einforderte, schert das die neue Regierung überhaupt nicht mehr. Verlogener kann Politik nicht dokumentiert werden. Auch wenn die zirka 500.000 in Deutschland lebenden KurdInnen überwiegend kein Wahlrecht haben, haben sich deutsche PolitikerInnen auch für die Rechte kurdischer Einwanderer einzusetzen, um so den Rechtsfrieden wahren zu können. Deshalb ist nicht Bundesinnenminister Schily gefragt, sondern Außenminister Joseph Fischer, der sich endlich für einen Friedensprozeß in Kurdistan einsetzen muß. Doch Schily fordert statt dessen einen Ausbau von Polizei und Verfassungsschutz, obwohl er wissen müßte, daß deutsche Sicherheitsbehörden von dem kurdischen Protest nicht überrascht worden sein dürften, standen doch PKK- Funktionäre schon vor der Entführung Öcalans unter engerer Beobachtung.
Scheinbar sind die Bilder von niedergewalzten kurdischen Dörfern, toten Kindern, Frauen und Männern in den Köpfen von Politik und Öffentlichkeit schon vergessen. Nicht nur Öcalan trägt für viele Tote Verantwortung, es sind auch die türkischen Militärs, die mit Hilfe deutscher Militärlieferungen das Töten unbeirrt fortsetzen können. Erst der Frieden wird die kurdischen Proteste verhindern können. Jürgen Korell (BAG Kritischer PolizistInnen)
betr.: „,Deutscher Herbst' in der Türkei“, taz vom 20./21. 2. 99
[...] Korrekt, die EU hat sich selbst um allen Einfluß gebracht. Sie hat vorgeführt, daß sie sich, auf deutsch gesagt, mit dem gesamten moralischen Gerede am liebsten den Hintern abwischt. Von Interesse sind nur die eigenen Wirtschaftsbestrebungen, ansonsten steckt man den Kopf in den Sand. Ist denen doch egal, ob das nächste Volk ausgerottet wird wie seinerzeit die Armenier. Und den USA ist es erst recht egal, wie deren gesamte außenpolitische Geschichte zeigt. Insofern bin ich recht mutlos, was ein mögliches Anschubsen des großen Bruders seitens der nun verschreckten EU für positive Konsequenzen haben sollte. Solange sich Ecevit – Kurdenhasser und Hardliner seit eh und jeh – an der Macht befindet, wird sich sowieso nichts tun. [...] Silvana Beer, Hildesheim
betr.: „Terrorismus und ziviler Ungehorsam“, Kommentar von Christian Semler, taz vom 19. 2. 99
[...] Ich kann in dem unverhohlen verbrecherischen Vorgehen der PKK-Anhänger in Berlin, den Plünderungen, Verwüstungen und mutwilligen Zerstörungen griechischer Konsulate oder der neunstündigen Geiselnahme in der SPD-Parteizentrale in Hamburg nichts Ziviles erkennen.
Die KurdInnen auf der Straße, die die öffentlichen Todesdrohungen gegen den SPD-Parteigeschäftsführer und das Herabwerfen von Computern aus dem Fenster beklatschten und später die Geiselnehmer, die die Polizei ziehen lassen mußte, wie Helden feierten, haben sich genauso kriminell verhalten wie der Mob von Hoyerswerda und Lichtenhagen.
Die einzige Einmischung, nach der die Ausfälle der letzten Tage rufen, ist die Verhinderung von Wiederholungen mit allen Mitteln des Rechtsstaates – einschließlich der Gewalt, für die er das Monopol hat. Christian Schulz, Hamburg
betr.: „Tödliche Treue zu Abdullah Öcalan“, „Tote einkalkuliert“ u.a., taz vom 18. 2. 99
[...] Es ist in der Tat nicht akzeptabel, wenn gewalttätige und zerstörende Horden durch die Straßen ziehen. Gleichwohl läuft die Diskussion, bei der es nur um die (erforderliche) Bestrafung der Täter geht, in die falsche Richtung. Letztlich müssen sich die Regierungen, insbesondere der westlichen Welt und Europas fragen lassen, was sie denn in den vergangenen Jahrzehnten zur Lösung der Kurdenfrage unternommen haben. Meistens war es gar nichts, das heißt, es wurde geschwiegen. In seltenen Fällen wurde wenig getan, das heißt, es wurde gegenüber der Türkei leise und mit der „gebotenen diplomatischen Zurückhaltung“ gegenüber dem Nato-Partner betont, daß militärischer Einsatz gegen die und Unterdrückung der kurdischen Bevölkerkung nicht hinzunehmen wären. Gleichwohl wurden sie hingenommen. Wenn es ganz gut stand für die kurdischen Minderheiten, gab es ein heuchlerisches Flugverbot zum Schutz vor Luftangriffen (siehe Irak), ohne daß militärische Grenzverletzung der türkischen Nachbarn verurteilt oder gar verhindert worden wären.
Das kurdische Volk war und ist von allen verlassen und nur auf sich selbst gestellt. Da wundert der Zulauf für militante Gruppen wenig.
Eine Entschuldigung für Gewalt und Zerstörung kann das nicht sein, aber eine Erklärung – und der dringende Hinweis, sich endlich international um die Lösung der Kurdenfrage zu bemühen. Deutschland täte nicht nur wegen der EU-Präsidentschaft gut daran, hier die Initiative zu ergreifen. Peter Wolters, Peine
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