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Büro der Kampagne gegen Wehrpflicht durchsucht

■ Zum zweiten Mal beschlagnahmt die Staatsanwaltschaft Plakate mit der Aufschrift „Ja, Morden“. Poster sollen Bundeswehrsoldaten zum Desertieren aufgerufen haben

Die Kampagne gegen Wehrpflicht bekam gestern morgen unerwarteten Besuch: Die Staatsanwaltschaft durchsuchte das Büro in der Oranienstraße in Kreuzberg. Akten wurden gewälzt, Computer durchsucht, die letzten sechs Exemplare eines Plakats beschlagnahmt. Die beiden Staatsanwälte kamen in Begleitung von zehn Beamten des Bundeskriminalamtes, berichtete Ralf Siemens, Sprecher der Kampagne.

Anlaß der Durchsuchung ist das beschlagnahmte Plakat, das die Kampagne Anfang April vor dem Hintergrund des Nato-Angriffs auf Jugoslawien in Umlauf brachte. Es hat dieselbe Überschrift wie ein Plakat von 1993, das der Kampagne in den vergangenen Jahren bereits Besuche der Staatsanwaltschaft beschert hatte: „Ja, Morden“. Unter dem neuen Plakat sind die Köpfe von Außenminister Fischer, Bundeskanzler Schröder und Verteidigungsminister Scharping zu sehen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, so Justizsprecherin Michaela Blume, wegen „Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten“. Mit der Passage des Plakats, „Kriegsdienst verweigern! Desertiert aus allen kriegsführenden Armeen!“, soll die Kampagne unter anderem zur Straftat der Fahnenflucht aufgefordert haben. Die Durchsuchung wurde vom Amtsgericht am 2. Juni angeordnet.

Das Plakat habe vor allem zu Beginn des Krieges großen Zuspruch gefunden, erklärt Siemens: „Besonders während der ersten Wochen des Krieges waren viele Kriegsgegner orientierungslos. Wir haben mit unserem Plakat den Kern dessen getroffen, was viele Leute bewegt hat.“ Die Kampagne versteht das Plakat als antimilitaristischen Aufruf an alle Kriegsbeteiligten, die Waffen aus den Händen zu legen. Sie protestiert gegen die „Kriminalisierung von gesellschaftlich notwendigen Äußerungen, die das Ende von Krieg, von Töten und Morden fordern“.

Über den Polizeibesuch wunderte sich auch Regina Michalik, Sprecherin des Landesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen. Da das Büro der Kampagne sich in den Räumen des Landesverbandes der Grünen befindet, wurde Michalik Zeugin der Durchsuchung. Die Beamten hätten sich insgesamt recht „kulant“ verhalten, berichtete die Grünen-Sprecherin. Über das Plakat der Kampagne sagte sie: „Auch innerhalb der Grünen ist der Kosovo-Einsatz umstritten gewesen: Man kann ihn kritisieren, aber ihn als Mord zu bezeichen, entspricht nicht unserer Einschätzung.“

Für die Kampagne bleibt nun abzuwarten, was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihre Mitarbeiter ergeben. Ralf Siemens freut sich bereits auf die Verhandlung, wie er gestern nach der Durchsuchung erklärte. Dort könne endlich thematisiert werden, ob Bundeswehrsoldaten den Einsatz im Kosovo nicht zu verweigern hätten, weil er nicht dem Völkerrecht entspräche. Julia Weidenbach

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