piwik no script img

Antworten auf Letzte Fragen

Was ist das Gegenteil von „Erfinden“, und wie müßte ich mir einen solchen Vorgang vorstellen? (19. 6. 99)

Dem Vorgang, bei dem Altbekanntes und Altbewährtes plötzlich, wie durch Verabredung, in Vergessenheit gerät, begegnen wir viel häufiger als uns lieb wäre. Denken wir an das Grafikprogramm, das in der als steinzeitlich geschmähten Version 4 noch einen funktionierenden Exportfilter für .wmf-Dateien hatte, während neuere Versionen bei dem Versuch, eine .wmf-Datei zu erzeugen, alles machen – von Veränderungen der Originaldatei bis zum Systemabsturz. Erinnern wir uns, daß eine Hose vor 30 Jahren eine kleine Schlaufe hatte, die die Gürtelschnalle trug – wo ist sie geblieben? Oder denken wir an eine Partei, die vor 20 Jahren – nein, ich will nicht politisch werden.

Ich schlage vor, derartige Vorgänge als „Entfindung“ zu bezeichnen. Von der Entfindung zu unterscheiden ist das Phänomen, daß ein altbekannter Artikel oder ein altbekanntes Verfahren unter neuem Namen als revolutionäre technische oder wissenschaftliche Errungenschaft gepriesen wird – so der gute alte Komparator-Schaltkreis, der plötzlich Fuzzi-Logik hieß, oder die völlig neue Methode zum Nachweis neuentdeckter Planeten, mit der ein paar amerikanische Astronomen vor ein paar Jahren die Schlagzeilen stürmten (und die Verlängerung ihrer Forschungsgelder durchsetzten), die aber schon ein Heinz-Haber-Taschenbuch von 1968 als alten Hut beschreibt.

Ob sich auch Entfindungen patentrechtlich schützen lassen, ist bisher ungeklärt, ebenso, ob der Entfinder als Lohn seiner Mühe Anspruch auf Entfindervergütung hat. Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung besteht hier dringender Handlungsbedarf für das Europaparlament, soll unser Wirtschaftsstandort nicht hinter Ländern mit größerem Entfindungsreichtum zurückfallen. Die nochmalige Erfindung des Rades unter neuem Namen bei gleichzeitiger Entfindung unter dem alten Namen könnten wir als „Umfindung“ bezeichnen. Gerhard Pauli, Düsseldorf

Da erfinden soviel wie herausfinden ist, dürfte das Gegenteil Hineinverlieren sein. Das gleiche gilt übrigens für Erziehen, lat. educare = herausziehen, leider praktizieren die meisten Lehrer nur Hineinstopfen. Die Praxis des Gegenteils von Erfinden dürfte also eigentlich nur Vergessenkönnen sein. Michael Alexander, Langenfeld

Das Gegenteil von Erfinden ist ganz klar: „Siegrossieriçin“ oder „Siecommencementiçin“. Erklärung: Das Gegenteil von er ist logischerweise sie, das Gegenteil von fin (französisch: fein, bzw Ende) ist grossier (grob) bzw. commencement (Anfang). Das Gegenteil von den (türkisch: von) ist için (für) Was kann man sich nun darunter vorstellen?

Also Sie-grob-für, oder Sie-Anfang-für. Das bedeutet also nichts anderes, als daß sie (die Frauen) grob, also gemein und fies sind, zu wem (für wen) bleibt hierbei aber offen. Das muß man wohl erst noch erfinden oder besser rausfinden. Genauso sind sie (wieder die Frauen) der Anfang von bzw. für etwas, möglich wäre da zum Beispiel der Anfang von allem, aber auch der Anfang vom Ende. Das wäre dann wieder auslegungssache. Konstantin Sauter, Unterliederbach

„Sie suchen“, und dieser Vorgang erklärt sich eigentlich von alleine. Frank Struck

Das Gegenteil von „erfinden“ ist „sich (damit) abfinden“ und als solches kein Vorgang. Wolfgang Pohl

„Genehmigen“. Und vorstellen sollte man sich's lieber nicht. Dr. Dagmar Schütte, Düsseldorf

„Einstampfen“! Der Begriff erklärt sich von selbst. Helge Messner, Hamburg

Wo ist bei einer Brezel oben oder unten? (19. 6. 99)

Oben ist immer dem Erdmittelpunkt entgegengesetzt, also ist bei der Brezel oben da, wo das Salz ist. Gemeint ist also wohl die schwierige Frage nach „vorne“ und „hinten“. Hier kommt es auf die Position des Backers bei der Produktion an. Im Normalfall wird dabei der große Bogen vom Backer entfernter liegen, weil er so die beiden kleinen Bögen zu sich hin biegen kann. Bei maschinell hergestellten Brezeln gibt es daher weder vorne noch hinten. Solche orientierungslosen Industriebrezeln sind zu meiden. Elisabeth Kramer & Siegfried Demuth, Weinheim

Oben ist, wo ich anbeiße! Hajo Sygusch, Bremerhaven

Ausgehend von einer Butterbrezel ist oben und unten leicht zu bestimmen. Ist die Brezel erst einmal durchschnitten, der Butter (im Ursprungsland der Butterbrezel sagt man „der Butter“) erst einmal appliziert und die beiden Brezelteile wieder aufeinandergeklappt, fällt die Unterscheidung zwischen unten und oben ausgesprochen leicht: Über dem Butter ist oben, unter dem Butter ist unten. Werner Färber, Schwabe in Hamburg

Da eine Brezel normalerweise nicht im Toaster, sondern auf dem Backblech gebacken wird, ist selbstverständlich die flache, leicht abgeplattete Seite unten. Interessanter ist da doch die Frage: Wo fängt eine Brezel an und wo hört sie auf? Volker Hutfils, Lübeck

Diese wesentliche Frage des Alltags resultiert aus einer blasphemischen Deformierung der Brezel. Deren Sinn war nämlich mal, daß sie überhaupt kein Oben und Unten hatte! Ganz im Ernst: Die Brezel ist eigentlich eine Art „heidnisches Ritualgebäck“, mit dem man in Europa bis ins Mittelalter die Wintersonnenwende feierte. Zu Ehren der Sonne buk man ein ringförmiges Brot, in dessen Mitte ein Teigkreuz als Symbol für die vier Jahreszeiten geformt wurde (also etwa wie ein Rad mit vier Speichen). Das Ganze hieß auch damals schon Brezel. Wer auf die eigenartige Idee kam, sie so zusammenzudätschen, daß man sich heute solche Fragen stellen muß, würde mich auch interessieren! Katharina Volk, München

Ja, Bäckermeister sind besondre Spezln:

was sie in ihre Bäckeröfen schoben

und schieben und danach von Blechen heben

sind Handschelln (und im Irgendwo – da oben –

soll, so heißt es, der sie mal trug, noch schweben ...),

was sie der Kundschaft gegenüber loben:

die Knotenteigwurst, ist wie's Vorbild eben

ein Gleichseitigkeitsbeweis: untenoben

ist obenunten. Sowas nennt man Brezln. Ulrich Sack Bernstiel, Tewel-Moor

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen