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Hechtbagger gegen die Wand

Die deutschen Volleyballer verpassen in Belgien die Olympia-Qualifikation, womit das Konzept des kurzfristigen Erfolgs mit Trainer Moculescu gescheitert ist    ■ Von Oliver Camp

Das gestrige 2:3 (19:25, 22:25, 25:21, 25:21, 16:18) gegen Gastgeber Belgien war nur noch ein unglücklicher Schlusspunkt für die deutsche Volleyballnationalmannschaft beim Turnier in Vilvoorde. Die Desillusionierung erfolgte schon am Samstag, als trotz des 3:2-Sieges gegen die Slowakei engültig klar war, dass die deutschen Männer international drittklassig bleiben. Schon vor der Partie, bei der die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbands (DVV) endlich einmal spielerisch überzeugte, hatte das Überraschungsteam aus Lettland nach seinem 3:2 gegen die Belgier als Turniersieger festgestanden. Und nur der Gewinner von Vilvoorde darf am europäischen Olympia-Qualifikationsturnier im Januar in Polen teilnehmen, wo sich dann wiederum allein der Sieger für Olympia qualifiziert.

„Das Abschneiden ist eine traurige Tatsache“, floskelte DVV-Präsident Werner von Moltke und tröstet seine stetig kleiner werdende Gemeinde: „Wir müssen jetzt die Nerven behalten, denn im Sport gibt es keine Wunder.“ Das Unmögliche sollte der zu Jahresbeginn neu verpflichtete Bundestrainer Stelian Moculescu allerdings eigentlich schaffen: die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2000 in Sydney. Mit dem durch die Niederlage gegen Lettland gleich zu Turnierbeginn eingeleiteten Scheitern endet das Himmelsfahrtskommando von Moculescu vermutlich umgehend, denn der gebürtige Rumäne hat oft betont, dass die Doppelbelastung als Auswahltrainer und hauptamtlicher Coach des Deutschen Meistes VfB Friedrichshafen kein Dauerzustand sein kann. Diese personelle Konsequenz würde dem ohnehin ramponierten Volleyball-Image aber nicht helfen, da sich kaum Alternativen aufdrängen. Die Verantwortlichen des DVV haben mit der Berufung von Moculescu auf kurzfristige internationale Erfolge gehofft und ihn als beckenbauerschen Siegertyp hochgelobt. Herausgesprungen ist lediglich der Titelgewinn bei der Studentenweltmeisterschaft im Spätsommer dieses Jahres auf Mallorca.

Um die deutschen Medien auf den beliebtesten Hallensport der Welt aufmerksam zu machen, wurde der Studententitel als Auferstehung des vormaligen Volleyballriesen vermarktet. Staatliche Sportförderungsgremien und Sponsoren sollten in Geberlaune gehalten werden. Hätte das DVV-Team die Teilnahme am Qualifikationsturnier in Polen erreicht, wäre Stelian Moculescu zur heilsbringenden Lichtgestalt promotet worden. Eine derartige Inszenierung fällt nun aus. „Dieses kurzsichtige Denken behindert das Erreichen langfristiger Ziele“, kommentiert der Moculescu-Vorgänger Olaf Kortmann. „Erfolg ist kein Ziel, sondern das Ergebnis eines Prozesses“, mahnt der verstoßene Fachmann. Ein Erfolg ermöglichendes Konzept zum Neuaufbau müsse auf vier bis sechs Jahre angelegt sein und es müssten auch Phasen mit weniger Titeln und Medaillen durchgestanden werden, rät Kortmann.

Langfristigkeit ist auch Stefan Hübner, dem Mittelblocker und „Volleyballer des Jahres“, das Wichtigste: „Die Spieler haben sich im Sommer sehr verbessert. Trotz der blöden Niederlage gegen die Letten haben wir bei diesem Turnier gegen Teams gewonnen, gegen die vor zwei Jahren noch deutlich verloren haben.“ Ein bisschen Pfeifen im Wald ist auch dabei, wenn Hübner resümiert: „Da geht was mit den Jungs.“ Credo aller Beteiligten: Die Bundesliga muss stärker werden und international gesehen nicht nur Abstellgleis für mittelklassige Profis sein.

Durch das Stützpunktkonzept, das die meisten Nationalspieler beim SC Charlottenburg konzentriert, fehlt den Berlinern im Liga-Alltag die Herausforderung. Es gibt derzeit im Oberhaus des deutschen Volleyball nur wenige Teams, die die SCC-Auswahl besiegen können. Langeweile ist programmiert und wird durch den Play-off-Modus noch begünstigt: Hauptsache, zum Abschluss der Spielrunde auf den ersten vier Plätzen, mit zwei Siegen ist die Meisterschaft dann gewonnen.

Während die deutschen Volleyballer ihre Wunden lecken, spielen zeitgleich die weltbesten Herren in Japan um den World Cup: Russland, Kuba, die USA und Italien streiten sich um den Thron. Von diesem Niveau trennen das DVV-Team Lichtjahre. Immerhin: Der deutsche Nachwuchs erbaggerte sich eine Silbermedaillie bei den europäischen Titelkämpfen in seiner Altersklasse. Andauerndes Interesse für den Sport kann bei Jugendlichen aber am einfachsten mit erfolgreichen Nationalteams geworben werden, deshalb ruhen die Hoffnungen der ganzen Gemeinde auf den DVV-Damen, die zunächst in der ersten Januarwoche in Bremen die Chance haben, sich für das Turnier in Sydney zu qualifizieren.

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