: Leichtigkeit des Seins an Tabellenspitze
Mit dem 3:0-Heimsieg von FC Union Berlin gegen FC Rot-Weiß Erfurt nimmt der Traum von der 2. Bundesliga nun Gestalt an
Die Fans im Stadion „Alte Försterei“ in Köpenick feierten bereits vor dem Spiel 1. FC Union Berlin gegen FC Rot-Weiß Erfurt wie nach einem Sieg. Auch Union-Trainer Georgi Wassiliev verspürte die vorzeitige Lust, in die Jubelarien einzustimmen. „Ich habe ein gutes Gefühl“, meinte er vor dem Rückrunden-Auftakt in der Regionalliga. Doch dann riss sich der Bulgare am Riemen, indem er mit Grauen zurück dachte. „In meinen 22 Berufsjahren hatte ich schon oft ein gutes Gefühl und wurde enttäuscht.“
Am Sonnabend jedoch nicht. 90 Minuten nach Wassilievs Bedenken trotteten die Erfurter mit hängenden Köpfen und einer 0:3-Niederlage unter die Dusche. Mühsam musste Wassiliev nun jedwede Anzeichen von Triumph aus seinem Gesicht vertreiben. „Wir haben keine Zeit, zufrieden zu sein“, predigte er Fans und Spielern.
Doch hören wollte ihn offensichtlich kaum jemand. Zwar sind noch 16 Punktspiele bis zum Saisonfinale zu absolvieren, aber schon jetzt stehen bei den „Eisernen“ aus der Wuhlheide die Zeichen auf 2. Bundesliga. Die Konkurrenz scheint zu resignieren. Alle 17 Regionalliga-Kollegen Wassilievs tippen, dass die Meisterschaft und damit das Recht, an der Aufstiegsrunde teilzunehmen, nach Köpenick gehen wird. „Wenn man Erster ist, will man auch Erster bleiben“, beschreibt Union-Libero Jens Härtel die unbeschreibliche Leichtigkeit des Seins an der Tabellenspitze.
Auch im Umfeld nimmt der Traum von der 2. Liga Gestalt an. Nachdem der Klub an Weihnachten die letzten drei Millionen Mark Schulden dank seines Sponsors „Kinowelt AG“ abtragen konnte, „weht bei uns ein anderer Wind“, so Präsident Heiner Betram. Sogar die vormals senatseigene Arena „Alte Försterei“, die niemals professionellen Sicherheitsstandards entsprochen hätte, wird nun fit gemacht für höhere Ansprüche. Nachdem das Union-Stadion am 1. Februar in den Besitz des Bezirkes Köpenick überwechselte, geht es für Berliner Verhältnisse rasend schnell mit den notwendigen Umbauten. Schon gegen Erfurt konnten sich Fans auf der Haupttribüne von den ersten der 2.000 geplanten neuen Schalensitzen reißen lassen, die anstelle der harten Holzbänke eingebaut wurden. Sogar eine Flutlichtanlage – Bedingung für die 2. Bundesliga – soll noch in der laufenden Spielzeit errichtet werden. Mit insgesamt drei Millionen Mark ist der Bezirk dabei, die Heimstatt des Pokalsiegers von 1968 auf Vordermann zu bringen. Nun siegt mal schön, würde Konrad Adenauer den Unionern zurufen. Jürgen Schulz
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