piwik no script img

Vorschau: Das Trio „Yo La Tengo“ beim Oldenburger Kultursommer

Das ist schon komisch. Mitunter kreuzen sich die Wege so genannter klassischer und so genannter Popmusik-Zufälle. Paul Auster würde über diese Zufälle vielleicht ein Buch schreiben; und alles käme einem ganz normal vor. Hoboken beispielsweise ist eine Stadt im US-Bundesstaat New Jersey. Nicht richtig groß, nicht richtig klein, und in der Nähe von New York. Hoboken. Der Name kommt einem bekannt vor. Man grübelt. Und irgendwann kommt man, vielleicht, darauf, dass so das Werkverzeichnis eines gewissen Joseph Haydn benannt ist. Doch wir sollten es bei dieser Beobachtung belassen; zu viel bildungsbürgerlicher Ballast für die Ostküstenband „Yo La Tengo“.

Das Cover der letzten Platte mit dem rätselhaften Titel „And then nothing turned itself inside-out“ mischt den hyperrealen Blick auf Smalltownwirklichkeit, wie wir ihn aus dem amerikanischen Semi-Underground-Kino kennen, mit überlandigen Kabelsträngen, die wie Nachfahren eines Walker Evans-Sujets sich über Autos, Häuser, Bäume erstrecken. Und in der Tat hat dies Album wohl – die ruhigste „Yo La Tengo“-Unternehmung bisher – etwas Episches. „...a Bergman film set in a Hoboken record store: abstract and intimate“, nannte es das SPIN Magazine.

Es ist ein wenig Ruhe eingekehrt in das oft brüchige, mitunter rauhe, stets dem „sound of surprise“ nachhörende Klanguniversum des Trios. Nun lässt sich die Entwicklung einer Band in den seltensten Fällen aus geographischen Gegebenheiten herleiten. Dennoch scheint New Jersey, wo „Yo La Tengo“ immer noch arbeiten, als Scharnier bestens geeignet. Zwischen den musikalischen Zentren New York und Chicago, zum Beispiel. Die für „Yo La Tengo“ wohl nicht ganz unwichtigen Sonic Youth (NY) veröffentlichten ebenfalls gerade eine ungewöhnlich ruhige Platte. Andererseits entwickeln sich die Tracks langsam, wie aus sich selbst heraus. Bedächtig voranschreitend wie in letzter Zeit bei den fabel- wie rätselhaften Kompositionen von „Godspeed You Black Emperor“ zu hören. Die wiederum kommen aus dem Umkreis des Chicagoer kranky-Labels. Eine der Hochburgen dessen, was man vielleicht als 'updating punk' bezeichnen könnte. Und noch ein anderer Strang der Szene aus Illinois ist wichtig. Immer wieder versetzen „Yo La Tengo“ ihre Songs auf Gitarrenpopbasis mit behutsamen elekt-ronischen Anreicherungen – in Richtung Jazz, in Richtung elekt-ronischer Minimalistik.

Georgia Hubley, Ira Kaplan und James McKnew spielen keinen Jazz, sondern Popmusik. Aber sie spielen sie gewissermaßen mit einem Jazzgestus. Hubleys schleppendes Getrommel lässt viel Raum für Improvisation. Raum auch für Anklänge aus vielen Bereichen amerikanischer Musikgeschichte. Country oder auch Punkrock. Die sind nie als Zitate aneinander gereiht, sondern entwickeln sich aus dem Gesamtzusammenhang, der in den Melodielinien von McKnews Bass sicher verankert ist. Dazwischen: vorsichtig lärmende Gitarreneinsprengsel, dronige Orgelsounds und vieles andere mehr. Und Stimmen, die aus der Ferne an Velvet Underground erinnern.

Tim Schomacker

Heute um 20 Uhr auf dem Oldenburger Schlossplatz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen