normalzeit: HELMUT HÖGE über Regionalismus
Wer Sorben hat, hat auch Likör!
Das vereinigte Europa wird ein Europa der Regionen sein, heißt es. Lange Zeit dachte ich dabei an bombende Sarden, Basken und Nordiren. Dann entdeckte ich ein Schild am Neubau des Rathauses von Kampen auf Sylt. In diesem Ort leben die meisten Millionäre, und dementsprechend nobel war auch das (alte) Rathaus, das durch ein noch nobleres ersetzt wurde: „Mit Mitteln der EU zur Förderung strukturschwacher Regionen“. So läuft das also! Ähnlich lief es dann auch mit der EU-Förderung des EKO-Stahlwerks in Eisenhüttenstadt: Damit die Subventionen bewilligt wurden, beteiligte sich Deutschland in der EU an Förderungen von Industrien in strukturschwachen Regionen – bis hin nach Griechenland –, die damit vom Interesse des Kanzlers am Erhalt des EKO-Stahlwerks profitierten.
Es geht hin und her. Weil die Nazis die Sorben als „führerloses Arbeitsvolk“ zum Straßenbau nach Osten deportieren wollten und ihren Verband, die Domowina, auflösten, wurde die Sorben-Organisation 1945 von der Roten Armee als Erste wieder zugelassen. Später unterstützte die SED die slawische Minderheit großzügig, während sie im Westen – im Wendland – langsam verschwand. Nach der Wende übernahmen die Bundesregierung sowie Sachsen und Brandenburg die finanziellen Verpflichtungen – zunächst 15 Millionen Mark jährlich, die Summe wird jedoch laufend gekürzt, außerdem wurden zwei sorbische Sprachschulen sowie das Lehrerausbildungsinstitut geschlossen. Vom Nordfriesischen Institut in Bredstedt kommt nun die Kunde, dass sich die Friesen, deren Kulturleistung vor allem in der Landgewinnung durch Deichbau besteht, die sorbische Stiftung zum Vorbild genommen und auf ihrer letzten Tagung in Jever beschlossen haben, ebenfalls Fördergelder zu beantragen.
Gesagt, getan! Zunächst bekamen sie 100.000 Mark jährlich zugesprochen. Das sei jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, betonten die Friesen-Aktivisten sofort, bevor sie weitere Förderanträge schrieben – auch an die EU. Bedauerlicherweise geht die friesische Sprachgrenze nicht über die dänische Grenze hinaus: „Länderübergreifende Projekte haben es leichter bei der EU“, wie man mir in Bredstedt erklärte. Die Friesen haben aber nicht nur den Minderheitenstatus mit den Sorben gemein, auch die Ab- bzw. Auswanderung. Während die jungen Ostfriesen vornehmlich nach Baden-Württemberg gehen – am Wochenende jedoch zurückkehren und daheim gemeldet bleiben, „weswegen die Arbeitslosenquote weitaus besser aussieht, als sie ist“, wie man mir in der Nordsee-Zeitung verriet –, gehen die Sorben vor allem nach Bayern. Das Arbeitsamt Bautzen hat sogar einen Kooperationsvertrag mit dem Arbeitsamt Freising abgeschlossen.
Zwar haben die Nordfriesen sich im Gegensatz zu den Sorben relativ willig dem Führer ergeben – und z. B. einen 1934 eingedeichten Koog nach Adolf Hitler benannt –, aber der einstige Widerstand der freien Dithmarscher Bauern gegen dänische Heere kann sich doch mit dem heutigen sorbischen Widerstand gegen die Abbaggerung Hornos durch die Westkonzerne RWE-Veag-Laubag messen. Später wehrten sich die Nordfriesen erneut gegen preußische Vereinnahmungen – 1849 wanderten viele Intellektuelle nach Amerika aus. Die Sorben haben jetzt noch einen draufgesetzt und via Internet den „freistaat-lausitz“ ausgerufen. Wie ihre Sprecherin Monika Berger-Lenz der jungen Welt sagte, war der Anlass, „dass die Sächsische Aufbaubank zum Juni die Förderung für dieses Jahr eingestellt hat, und zwar ganz überraschend“.
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