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Das Schwarze Loch

Oakland und Minnesota stehen im Halbfinale um den Einzug in die Super Bowl des American Football

BERLIN taz ■ Dass es eine ganz spezielle Art von Heimvorteil gibt, hatte das Basketballteam der Utah Jazz schon vor einigen Jahren erkannt. Da knatterten im NBA-Finale während der Auszeiten Motorradfahrer auf Harley-Davidsons im Delta Center an der Bank der Chicago Bulls vorbei, so dass Michael Jordan und seine Kollegen kein Wort von dem verstehen konnten, was Trainer Phil Jackson ihnen mitzuteilen hatte. Genutzt hat es der Mannschaft aus Salt Lake City am Ende wenig.

Erheblich effektiver funktionierte am Samstag der berüchtigte Phonterror in den Footballstadien der Minnesota Vikings und Oakland Raiders. „Der Krach war ein wichtiger Faktor“, sagte Aaron Brooks, Quarterback der New Orleans Saints, nachdem sein Team im Metrodome von Minneapolis mit 16:34 das Viertelfinalmatch der National Football League (NFL) gegen die Vikings verloren hatte. Bei Angriffen der Saints war es so laut, dass die Spieler die Kommandos des Quarterbacks nicht hören konnten und oft zu spät reagierten. „Das hat heute eine Rolle gespielt“, sagte Brooks.

Es war allerdings nicht nur der Lärm der 63.881 Fans, der die Saints verzweifeln ließ, sondern auch die Defense der Vikings, die zuletzt nach drei Niederlagen in Folge heftig kritisiert worden war. Diesmal funktionierte sie glänzend. Die Running Backs des Gegners schafften gerade 40 Yards Raumgewinn, und bis zwei Minuten vor Schluss konnte Brooks keinen Pass, der länger als 20 Yards war, an den Mann bringen. Auf der anderen Seite reichten zwei Sprints von Randy Moss, um in der ersten Halbzeit die Partie praktisch schon zu entscheiden. Der Receiver der Vikings fing einen Pass über 53, dann einen über 68 Yards, beide führten zu Touchdowns.

Noch gefürchteter als der Metrodome in Minnesota ist die Arena der Oakland Raiders mit ihrem „Schwarzen Loch“, dem Block, wo die Hardcore-Fans sitzen. „Sie schmeißen mit Süßigkeiten und Getränken“, wusste Linebacker Zach Thomas schon vor dem Auftritt seiner Miami Dolphins beim kalifornischen Team, „man kommt sich vor wie in dem Film ‚Gladiator‘.“ Silber und schwarz gewandet sind die Fans der Raiders, die Heim-Mannschaft läuft zum dröhnend laut gespielten Hell’s Bells von AC/DC ins Coliseum ein. An Halloween und Marilyn Manson fühlt sich Jon Gruden, seit drei Jahren Chefcoach, erinnert, sein Vorgänger Joe Bugel sagte einmal auf die Frage, wo die Raiders-Anhänger herkommen: „Sie laden sie im Bezirksgefängnis in einen Bus und bringen sie her.“ Dem widerspricht ein Fan aus dem Schwarzen Loch ganz entschieden: „Ich sehe zwar fürchterlich aus, aber ich bin ein Kirchgänger.“ Neuestes Accessoire der Raiders-Crowd ist die Horrorpuppe Chucky, die überall im Coliseum geschwenkt wird, allerdings verfremdet durch blonde Haare und Kopfhörer. So ähnelt die Figur ziemlich stark Coach Gruden, finden die Fans.

Den Dolphins war bei der Gruselshow von Anfang an die Rolle des Opfers zugedacht. „Wir sind in das Schwarze Loch gelaufen und konnten unseren Weg hinaus nicht mehr finden“, brachte Abwehrspieler Daryl Gardener das 0:27-Debakel der Gäste aus Florida auf den Punkt. Es war das erste Mal, dass die Dolphins in einem Play-off-Match keinen einzigen Punkt holten, aber das dritte Mal in Folge, dass sie in der zweiten Runde förmlich aus dem Rennen um die Super Bowl gefegt wurden. Vor zwei Jahren hatten sie 3:38 gegen die Denver Broncos verloren., letztes Jahr mit 7:62 gegen Jacksonville. Eine Niederlage, die erst den Rücktritt von Coach Jimmy Johnson, dann den Abschied des längjährigen Quarterbacks Dan Marino nach sich zog.

Ebenso wie im letzten Jahr gegen Jacksonville war es ein früher Lapsus, der den Sturz der Dolphins einleitete. Mit dem ersten Spielzug hatte sich Miami nahe an die Endzone der Raiders herangearbeitet und schien vor einem Touchdown zu stehen. Doch dann fing Oaklands Cornerback Tory James den Pass von Quarterback Jay Fiedler ab und hetzte das gesamte Feld entlang zum ersten Touchdown der Gastgeber. Von diesem Schock erholte sich Miami nicht mehr. „Wir sind ein viel, viel besseres Team, als wir es heute gezeigt haben“, ärgerte sich Linebacker Robert Jones. Dass Miami derart unterging, führte der solide spielende Raiders-Quarterback Rich Gannon nicht zuletzt auf das Publikum zurück: „Mir taten die Ohren weh. Die Fans waren gewaltig. Das war ein Riesenvorteil.“

Ob das Schwarze Loch für diese Saison ausgedient hat oder am kommenden Sonntag noch einmal zum Einsatz kommt, entschied sich gestern Abend (nach Redaktionsschluss). Nur im Falle eines Sieges der Baltimore Ravens gegen die Tennessee Titans hätte Oakland im Halbfinale erneut ein Heimspiel, ähnlich wie Minnesota, das beim Duell der potenziellen Gegner auf einen Triumph der Philadelphia Eagles gegen die New York Giants hoffte. Keinerlei Heimvorteil wird es in jedem Fall am 28. Januar bei der Super Bowl geben. Die findet in Tampa Bay statt, und die dort beheimateten Buccaneers sind in der ersten Play-off-Runde ausgeschieden. MATTI LIESKE

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