piwik no script img

die stimme der kritikBetr.: BAP, Bots, Birkenstock und Ramona Pop

Waren die Grünen jemals trendy?

Es ist mal wieder so eine Zeit, in der man aus dem Staunen nicht rauskommt. Die Konjunktur kommt ins Stottern – sagt die Bild. Die Chinesen halten amerikanische Aufklärungsflugzeuge länger fest als nötig, weil sie an Militärinformationen ranwollen – sagt George Bush. Boris Becker hat wieder eine neue Freundin: Die ist blond, Karrierefrau und hat Politik, Wirtschaft und Philosophie studiert – weiß die B.Z. Und sie ist, höchstwahrscheinlich, schlauer als er – sagen wir. Harte Tage auf dem Planeten, doch noch härter ist: Die Grünen sind in einer ganz schweren Krise. Verlieren Wahlen, müssen dauernd über ihre Minister diskutieren, und, noch schlimmer, da geht’s an die Substanz, da geht’s um alles, um die Zukunft und mehr: Sie sind nicht mehr „trendy“. Das stellte, ganz in der Sprache der Jugend formuliert, am vergangenen Wochenende in Hamburg der leider auch schon fünfzigjährige Hamburger GAL-Sprecher und „Parteistratege“ (dpa) Kurt Edler auf einem Bundeskongress der Junggrünen in Hamburg fest. Auf diesem trafen sich, Trendyness hin, Depressionen her, sage und schreibe 150 Jugendliche aus ganz Deutschland, um über trendy Themen wie neue Medien (heißa!), Datenschutz im Internet (der Wahnsinn!) und E-Demokratie (die Hölle!) zu diskutieren. Doch mal abgesehen davon, dass ein Wort wie „trendy“ schon Zweifel nährt: Waren die Grünen jemals „trendy“? Da erinnern wir der Einfachheit halber mal an BAP, Bots und Birkenstöcke, an bunte Halstücher, Strickpullis und Latzhosen, und da gedenken wir doch sehr missmutig dieser schweren Zeiten, als man immer die Grünen wählte, obwohl man in Sachen Stil und Geschmack so gar nichts mit denen gemein hatte. Ja, da finden wir, ganz im Gegensatz zu der Sprecherin der Grünen Jugend mit dem schönen und eigentlich verheißungsvollen Namen Ramona Pop, dass die grauen Männer Fischer und Trittin in ihren grauen Anzügen ganz gut aussehen, und dass auch gegen das Outfit von Kerstin Müller und Claudia Roth rein gar nichts einzuwenden ist. Und wir finden auch, dass es ausgesprochen trendy ist, wenn eine Partei wie die Grünen sich lieber mit „Gerüchtewellen“ und Trittinereien beschäftigt als mit „Sachthemen“, die keinen Kohl so richtig fett machen. Wie das schon klingt: „Wir müssen zurück zu den Sachthemen.“ „Das Ansehen unserer politischen Führungsgremien darf nicht untergraben werden.“ „Wir müssen wieder grüne Signale setzen.“ Dann doch lieber Bild, Bush und Becker. GERRIT BARTELS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen