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„Die Richtung war die richtige“

Wenn zu viele Köche den Brei verderben: Der „20 Minuten Köln“-Mitbegründer Klaus Kelle über Sinn und Unsinn von Gratiszeitungen, Presse-Pluralität, die ungewisse Zukunft der Journalisten und die Gründe für Schibsteds Kapitulation

taz: Trauern Sie der Zeitung nach?

Klaus Kelle: Natürlich bin ich traurig. Ich hatte mir so ein Ende nun wirklich nicht vorgestellt, sondern bis zuletzt auf den Durchbruch gehofft. Richtig Leid tut es mir vor allem für die Redaktion. Ich bin nun seit über 20 Jahren im Geschäft, und ein so motiviertes Team habe ich selten erlebt. Um so schlimmer ist es, dass viele nun auf der Straße stehen werden, weil es nicht einfach für sie sein wird, beruflich in Köln noch Fuß zu fassen.

Sie meinen, das Verlagshaus DuMont Schauberg würde die Fahnenflüchtigen abweisen?

Sein wir doch ehrlich: Die Journalisten, die bei uns angefangen haben, waren sich vom ersten Tag an darüber im Klaren, dass sie wohl nie zu den anderen Kölner Medienhäusern zurückkehren können. Ich halte das für eine realistische Einschätzung.

War 20 Minuten Köln denn wirklich so ein journalistischer Stachel in der Kölner Presselandschaft?

Köln geht mit dem Aus von 20 Minuten eindeutig ein Stück Pluralismus verloren. Die Berichterstattung wird nun wieder dominiert durch das genannte Kölner Zeitungshaus. Wir haben in unserem Blatt mehrfach gezeigt, dass wir in der Lage waren, Themen aufzugreifen, die in der Massenwirkung sonst niemand gebracht hat. Trotz der Warnungen und Schmähungen sind wir letztlich auch ernst genommen worden von den Politikern in Köln. Man hat uns nicht mehr – wie zu Beginn unseres Erscheinens – als unanständig angesehen.

Der Axel Springer Verlag will demnächst seine Extra- Zeitung für wenige Pfennig testweise auf den Hamburger Markt werfen. Das Comeback der Gratiszeitung?

Das zeigt zumindest, dass der ASV innovativ ist und erkannt hat, dass die Richtung, die 20 Minuten eingeschlagen hatte, die richtige ist. Das ist doch die einzige Chance, Menschen zwischen 16 und 25 Jahren wieder ans Zeitunglesen zu bekommen. Die werden von der Traditionspresse doch gar nicht mehr erreicht.

Warum musste Schibsted in Deutschland das Handtuch werfen? Waren die falschen Leute an dem Projekt beteiligt?

Ich kann das nur ganz persönlich beurteilen. Solange Schibsted alleine am Start war, war die ganze Sache spannend und man konnte richtig kreativ arbeiten. Als dann aber mit neuen Investoren auch neue Strukturen eingeführt wurden, sind auch branchenfremde Leute in verantwortliche Positionen gehievt worden. Ich halte das für problematisch. Zeitung zu machen ist eben doch was anderes als eine Großschlachterei zu betreiben. Wir hatten zum Schluss eine Führungsriege, in der die Leute mit Zeitungserfahrung in der Minderheit waren. Das war vielleicht nicht sonderlich hilfreichz...

INTERVIEW: FRANK ÜBERALL

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