■ H.G. Hollein: Kofferkuli
Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Freundin, die es gewohnt ist, dass man ihr Dinge nachträgt. Manchmal geht so was nach hinten los. H. ist am 1. Oktober für ein paar Monate nach Paris umgesiedelt. Samt ihren beiden Katzen. Die – ob Geschlechtszugehörigkeit und Körperform auch „Pimmelchen“ und „Pummelchen“ genannt – beanspruchten bereits die Hälfte der zugelassenen 20 Kilo Fluggepäck. So kam H., die zusätzlichen Kosten eher ablehnend gegenübersteht, auf die Idee, wir könnten ihr in unserem anstehenden Urlaub doch eine „klitzekleine“ Tasche mit Wäsche anliefern. Die wollte sie uns am Wahlabend übergeben. Was allerdings wegen diverser kommunikativer Fehlleistungen nicht klappte. Nun, so entnahm ich unserer Mailbox, stehe das Corpus transportandum bei M., einem gemeinsamen Bekannten. Der machte sich am Tage meines Anrufs aber gerade auf in den Italienurlaub. So konnte ich H. denn nur teilnahmsvoll per SMS mitteilen: „Acht Monate Paris und keine Unterhose. Misslich. Gruß H.G.“ H.s Rückruf fiel im Ton etwas schriller aus. Ich konnte H. dahingehend bescheiden, dass ich ihr, um ihre last-minute-Übergaben wissend, aus erzieherischen Gründen einen früheren Abreisetermin genannt hatte und darob ihre Tasche voraussichtlich doch noch würde übernehmen können. Mein fürsorglicher Vorschlag, H. bis zu unserem Eintreffen täglich einen Brief mit dem erforderlichen Kleidungsstück zuzusenden, scheiterte allerdings am Einspruch der Gefährtin. Das sei „zu schlüpfrig“. Und überhaupt gebe es in Paris schließlich „mehr Längscherie-Läden als Bäcker“. Mithin – die Gefährtin war etwas vergrätzt. Vielleicht lag das daran, dass sie – noch ohne eigene Anschauung von H.s „klitzekleiner Tasche“ – von einem Kollegen die Auskunft erhalten hatte, ein 50-Liter-Rucksack entspreche im Fassungsvermögen fünf Kästen Bier. Damit dürfte auch klar sein, wer mit dem Trumm auf dem Buckel den Montmartre zu H.s Wohnung hinaufkeucht.
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