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Die Reklamenrezension. Heute: Heiligmäßig durch Maria und Joseph

Erinnern Sie sich noch? Vor einigen Wochen stellten wir an dieser Stelle die Einbürgerungskampagne der Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vor. „Schon deutsch?“ wurde auf deren Plakat gefragt und wenig subtil gefordert: „Sonst lass dich einbürgern!“ Für Kampagnen scheint der Stadtstaat ja immer noch Geld zu haben, und so möchten verständlicherweise auch andere Hamburger Senatsstellen nicht nachstehen. Besonders aktiv zeigt sich neuerdings die Behörde für Soziales und Familie.

Man kennt die alte Leier ja schon: Für soziale Dienstleistungen wird das Geld knapp und knapper. Können wir es uns noch leisten – und den anderen zumuten –, krank zu werden oder alt und pflegebedürftig? Profidienste sind kaum noch zu tragen. Was liegt da näher, als auf die gute alte Freiwilligkeit und Mildtätigkeit zu setzen? Aber wie gewinnt man im 21. Jahrhundert noch Menschen für die soziale Sache? Mit Fotos von tattrigen Hilfsbedürftigen? Von glücklichen Behinderten in inniger Umarmung mit ihren Betreuern? Wollen wir das ganze Elend noch sehen?

No, Sir! Wir wollen sehen, wie wir uns damit fühlen, gut zu sein. Wir wollen die Erhabenheit Mariens in uns spüren, die ruhige Stärke Josephs. Wir wollen uns heiligmäßig fühlen, irgendwie sozial und irgendwie doch auch ganz wunderbar tough. Ich fühl mich gut mit meinem Ehrenamt!

Und so strahlen sie nun einträchtig von Hamburgs Litfaßsäulen, die beiden mit den strengen Gesichtern und dem Heiligenschein. Ein wenig schade ist nur, dass die Behörde im Verbund mit den Hamburger Betreuungsvereinen nicht das Geld für höhere Hängeplätze ausgeben mochte. Igitt, die beiden werden ja ständig von Hunden bepinkelt. Blasphemie! REINHARD KRAUSE

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