urdrüs wahre kolumne: Dem alten Eiswette-Kumpel Borttscheller was zustecken
Politik muss sich doch lohnen
„Tschö WM. Hallo, Liebling!“ Mit diesem Schnack so richtig dem prallen Leben abgelauscht hat die gelbe Post ihre Kampagne „Einwurf für Deutschland“ beendet, die immerhin 150.000 Briefe ins Postfach der Völler-Buben geschwemmt hat. Und zugleich soll damit eine neue Offensive für das private Briefeschreiben gestartet werden – und Tipps dafür, die gibt‘s unter www.briefeschreiben.de im Internet – da, wo die Pisa-Opfer mit Smileys und tausend Ausrufezeichen chatten. Für uns Wertkonservative wird‘s allmählich wirklich eng in diesem Lande ...
Ist es nicht ein Albtraum, dass man mitten in Bremen plötzlich an einem Tresen stehen und harmlos über Fußball, Reinheitsgebot oder den Teuro diskutieren kann und hinterher erfährt, dass der Gesprächspartner gar kein netter Trinker war, sondern ein solch perfides Ferkel wie jener Mitarbeiter des Sozialamts, der einem mittellosen Kongolesen die Gebühren für den Pass verweigert – im Wissen, dass ein solcher von den Bütteln der Ausländerbehörde verlangt wird? Da schmeckt kein Weizen mehr!
Vermögensverfall oder nicht? Kann ja sein, dass es dem Ex-Senator Ralf Borttscheller knetemäßig im Moment nicht so gut geht, aber die Schadenfreude über solche Fälle von Klammheit ist ja nun einigermaßen schofelig. Müssen wir kleinen Leute nicht zusammenhalten? Uns die Hand reichen im Kampf gegen den Teuro bei Rotwein, Zigarillos und Maßkonfektion? Eigentlich ist der Skandal doch, dass sich die Parteifreunde nicht aufraffen konnten, ihrem alten Eiswette-Kumpel mal was zuzustecken. Wie will man sonst junge Leute für Parteiarbeit gewinnen, wenn sich der Bettel nicht mehr lohnen tut?
Ausgerechnet der hanseatische Bürovorstandsdarsteller Claus mit C Jäger erweist sich als juristischer Vertreter der Interessen von Kampfhundehaltern. Dabei sieht er doch gar nicht wie ein Zuhälter aus und nicht mal wie einer dieser frauenprügelndenkinderfickendenbayernmünchenliebenden Superprolls in Ballonseide, die sonst so gern als Herrchen über Sitz und Fass an den Leinen solcher Tölen hängen. Muß man denn für Geld wirklich alles tun? Und ist nicht ein jeglicher Sozialhilfeempfänger (in der Version ohne Hund jedenfalls) ein nützlicheres Glied der bremischen Gesellschaft, zumal ihm CDU-Parlamentarier Karl Uwe Oppermann ja jetzt auch noch den spritschluckenden Opel des Baujahrs 87 stilllegen will? Übrigens: Klischees sind Lebenshilfe! meint jedenfalls
Ulrich „Uralt“ Reineking
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