Architektur in Berlin: Rückkehr des roten Kastens
Der Bund hat 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau von Schinkels Bauakademie bewilligt. Dort könnte das Berliner Architekturmuseum eingerichtet werden.
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Frank-Walter Steinmeier (SPD) soll in seinen letzten Tagen als Minister der großen roten Plastikfassade auf dem Gelände gegenüber dem Außenamt richtig überdrüssig geworden sein. Auch hält sich das Gerücht, dass sein Unmut über die Planen vor seiner Nase mit dazu beigetragen habe, dass der Bund jetzt 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau von Karl Friedrich Schinkels 1836 errichteter Berliner Bauakademie bewilligte. Der „rote Kasten“, wie die Berliner den berühmten quadratischen Backsteinblock tauften, kommt zurück.
Dass Schinkels revolutionäres Bauwerk aus rohen Ziegeln und schönem Terrakottaschmuck wieder aufgebaut werden soll, ist eine gute Nachricht. 1945 war das Gebäude zerbombt und 1962 schließlich abgerissen worden. Trotz der Fehlzeit gilt die einstige Akademie für Architekten und Ingenieure – mit Lehrsälen, Bibliotheken, Wohnungen sowie Läden – bis heute als die Ikone der architektonischen Moderne des 19. Jahrhunderts.
Die gute Nachricht wird jetzt getrübt, weil – kaum hatte der Haushaltsausschuss die 62 Millionen bewilligt –, eine fast irre Diskussion einsetzte, wie die neue Bauakademie genutzt werden sollte. Als hätte es eine seit 20 Jahren andauernde Debatte darüber nie gegeben.
Die vielen Vorschläge stehen unter dem Motto: Anything goes. Vor einer Woche etwa hatte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) dazu die vorläufig letzte Idee zum Besten gegeben. Die inhaltlichen Schwerpunkte sehe sie „in der interdisziplinären Zusammenarbeit von Architektur, Stadtplanung, Ingenieurwesen, Umweltschutz, Denkmalpflege, Bauherren und Bauausführenden“. Selbst die Themen Klimaschutz und die Integration könnten dort erörtert werden, so die Ministerin.
1836 errichtete Karl Friedrich Schinkel die Berliner Bauakademie als erstes profanes Rohziegelgebäude Preußens. Die Ausbildungsstätte für Architekten war zugleich bahnbrechend für die Baukultur.
1945 wurde das Gebäude zerstört, sollte aber wieder aufgebaut werden. 1962 wurde der Bau zugunsten des geplanten DDR-Außenministeriums abgetragen.
Seit 2004 steht an Stelle der Bauakademie eine rote Plastikattrappe am Schinkelplatz 1. Versuche der Rekonstruktion haben nichts gebracht. 2017 bewilligt der Bundestag 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau.
Die Architektenkammer veranstaltet heute um 19 Uhr ein Stadtgespräch zur Bauakademie, Berliner Stadtbibliothek (ZLB), Breite Str. 30, 10178 Berlin. Infos: www.ak-berlin.de (rola)
Kein Museum! Ein Museum!
Das Bild einer Sammelsurium-Akademie hatte zuvor schon Wolfgang Schoele, Vorstand der Bauakademie-Errichtungsstiftung, skizziert. Wünschte dieser sich doch ein Innovations-, Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Konferenzzentrum und vieles mehr.
Auch die Berliner Architektenkammer lädt am heutigen Montag über ein Dutzend Politiker und Architekten, Bauhistoriker und Museumsdirektoren zu einem „Stadtgespräch“ über das Akademie-Projekt ein. Spiegeln die Anzahl und Profession der Gäste nicht nur mehr diesen merkwürdigen Umgang mit den Perspektiven für das Bauvorhaben?
Als falschen Weg bezeichneten Schoele und andere, darunter der Präsident „Internationale Bauakademie“ und Architekt Hans Kollhoff, museale Absichten für den roten Kasten. „Das darf kein Museum werden“, so Schoele. Warum denn nicht?
Die Idee, hier ein Berliner Architekturmuseum zu entwickeln, ist richtig und sinnvoll. Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), wirbt schon länger mit diesem Plan: „Begehrlichkeiten gibt es viele; dabei liegt die Antwort auf der Hand. Es ist doch nicht zu verstehen, dass ausgerechnet eine Stadt wie Berlin kein Architekturmuseum von Rang besitzt“, so Parzinger jüngst im Tagesspiegel.
Für den Museumsvorschlag spricht zudem, dass nicht nur Preußens Stararchitekt Schinkel (1781 bis 1841) als starker Magnet die Fans der Berliner Baukunst anziehen würde. Die gesamte Berliner Architekturgeschichte vom Barock bis zur Moderne des 20. Jahrhunderts ist von herausragender und komplexer Dimension. An welchem Ort, findet der SPK-Chef, „könnte man den Blick besser auf die großen Architektursammlungen richten als in der Bauakademie“ und von wo „ließe sich besser von dieser vielfältigen Entwicklung erzählen als hier?“.
Es existieren in der Stadt große Architektursammlungen: Nachlässe bedeutender Architekten befinden sich in der Kunstbibliothek und in der Staatsbibliothek. Hinzu kommen die Sammlungen der TU Berlin, des Bauhauses und die Bestände in der Akademie der Künste oder die in der Berlinischen Galerie. Wäre es nicht eine schöne Vorstellung, all die Schätze zusammenzuführen?
Den Hut in den Debatten-Ring hat noch Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie, mit einem wichtigen Hinweis geworfen. Köhler fragt, ob die neu aufgebaute Bauakademie – ebenso wie das benachbarte Schloss – als 1836er-Kopie daherkommen müsse.
Schinkel habe zu seiner Zeit zukunftsorientiert, „revolutionär“ gebaut, so Köhler. „Ob der Wiederaufbau nach historischem Vorbild der richtige Ort ist, um Architektur in die Zukunft zu denken, halte ich für zweifelhaft.“
Die Debatte über die Bauakademie sollte darum nicht ausfransen. Sondern sich auf diese beiden Fragen – die Nutzung als Museum und Rekonstruktion versus zeitgenössische Architektur – konzentrieren. Schon Schinkel stand für das Wesentliche.
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