■ Antworten auf Ralf Fücks : Beschränkter Untertanenverstand?
betr.: „ ‚Ohne uns‘ reicht nicht“, taz vom 3. 1. 03
Wie seinerzeit der Vietnamkrieg soll heute der Krieg gegen den Irak nach dem Willen einer de facto Allparteienkoalition im Bundestag als „Modellprojekt für eine langfristige politische Stabilisierung der Region“ taugen. Schönredner Fücks befürchtet höchstens, dass bei dem von ihm behaupteten Kriegsziel der politische und religiöse „Eigensinn der Region“ nicht mitspielt. Den Streitpunkt „Zugang zu den Ölquellen“ schiebt Fücks kurzerhand mit der unbewiesenen These beiseite, dieses Interventionsmotiv greife „zu kurz“.
Tatsächlich ist es ein offenes Geheimnis, dass das Gerangel um zukünftige Förderrechte ursächlich mit den aktuellen Meinungsverschiedenheiten im Weltsicherheitsrat zusammenhängt. Dass sich Präsident Bush, frei nach Fücks, darauf eingelassen haben soll, „den Sicherheitsrat zum Schiedsrichter über einen möglichen Waffengang anzurufen“, klingt angesichts der von US-Administratoren wiederholt erklärten Alleingangs- und Präventivkriegsabsichten keineswegs überzeugend.
Nach einer Eroberung des Irak würde sich der Streit um Förderrechte, wie heute auch schon in Afghanistan ablesbar, fortsetzen. Solange fremde Mächte Ansprüche auf Ölressourcen erheben und bei den in der Region lebenden Menschen mit imperialer Arroganz „Eigensinn“ diagnostizieren, statt ihre Interessen zu respektieren, wird der Konflikt andauern oder sich ausweiten. […] Alle Regierungen und Medien, die dieses Monopolgebaren der USA schweigend hinnehmen, unterstützen bereits heute die Vorbereitung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges. […]
KRISTAN KOSSACK, Minden
Anscheinend hat Ralf Fücks den Ernst der Lage nicht erkannt! Die Bush-Krieger werden, ob mit oder ohne UNO-Mandat, ihren Präventivkrieg durchziehen. Da Öl ein besonderer Saft ist (so Jeremy Rifkin), geht es also nicht um Menschenrechte oder eine wie auch immer angebliche Gefahr durch den arabischen Islamismus.
Wenn Joschka Fischer – entgegen seinen Wahlaussagen – wegtaucht und die deutsch-amerikanische Freundschaft wieder einen höherstelligen Wert gewinnt, hat er seine Inkompetenz als deutscher Außenminister gezeigt. Gerade jetzt würde es darauf ankommen, eine diplomatische Initiative gegenüber Bagdad zu starten: Aufhebung des schändlichen Embargos, natürlich Saddam wegen der Menschenrechtssituation unter Druck setzen und sich klar gegen den beabsichtigten Krieg aussprechen und im UNO-Sicherheitsrat mit Nein stimmen. Parallel vor den Wahlen in Israel eine Offerte an Arafat und an die israelische Regierung richten. Das hätte etwas!
So könnte der Außenminister als Friedensstifter in die Geschichte eingehen! Doch leider taucht er weg, hängt sich an die Bush-Administration und geriert sich nur als Papiertiger! Leider! Und Ralf Fücks liefert nur die Stichworte, wie Joschka am besten von der Anti-Kriegs-Haltung wegkommt. […]
HEINZ D. KAPPEI, Berlin
Was sind das für Parteien, die uns, wie Fücks hier, belehren wollen über unseren „beschränkten Untertanenverstand“? Lieber Ralf, wir wissen das alles und noch ein bisschen mehr und sind gerade deswegen gegen jedes, auch ein indirektes Ja zu diesem Krieg, wie es jetzt grüne Strategen diskutieren.
Was sind das für Verbündete, die von uns verlangen, gegen den Willen der eigenen Bevölkerung einem Krieg zuzustimmen und dabei mitzumachen? […] Dankbarkeit darf nicht den Verstand vernebeln, und wenn eine nüchterne Analyse zeigt, dass dort eine Clique an die Macht gekommen ist, die an die schlimmsten amerikanischen Traditionen anknüpft, dann ist nicht Unterstützung, sondern Widerstand angesagt, auch und gerade im Interesse der amerikanischen Freundinnen und Freunde, die sich den besten Traditionen der USA verpflichtet fühlen und verzweifelt sind über diese Regierung und die Art, wie sie die öffentliche Meinung in den USA und darüber hinaus manipuliert.
Den Nahen Osten und möglichst auch den „Mittleren“ mit Krieg und nach Krieg neu ordnen nach eigenen Vorstellungen, das kennen wir auch. Dafür gibt es in der Geschichte des amerikanischen und europäischen Imperialismus eine Menge Beispiele, die alles andere als ermutigend sind. Man „kann“ dies nicht für „Machbarkeitswahn“ halten, man „muss“ es nach aller historischen Erfahrung. Und es ist, vor allem, arrogant und überheblich, dafür gibt leider auch Fücks’ Formulierung ein Beispiel, wenn er vom „politischen und religiösen Eigensinn der Region“ spricht: Es geht nicht um „die Region“, sondern die „Menschen“ dort, und man sollte davon ausgehen, dass sie nicht nur „Eigensinn“, sondern vor allem eigene Meinungen, Vorstellungen, Erwartungen, kurz, ein „Selbstbestimmungsrecht“ haben!
WOLFGANG WIEMERS, Münster
Ralf Fücks macht Werbung für eine gemeinsame europäische Haltung zum geplanten Irak-Massaker. Als ob dadurch irgendwas verbessert würde. Denn die gemeinsame Linie ist kein Selbstzweck. Es wär ja schön, wenn Großbritannien und Frankreich sich nicht an der fahrlässigen Formulierung der Irak-UNO-Beschlüsse beteiligt hätten. Aber wo soll die gemeinsame Linie herkommen, wenn auch Großbritannien Truppen aufmarschieren lässt.
Die Ohne-uns-Position der Bundesregierung war von Anfang an eine durchsichtige Wahlkampffinte. Wenn sie es ernst gemeint hätte, aus der Rolle von „Verbündeten zweiten Ranges“ herauszukommen, müsste sie nur alle Militärverträge kündigen und die unsicheren Kantonisten nach Hause schicken, die US-Stützpunkte auflösen. Warum sollte „eine von den USA abgekoppelte europäische Sicherheitspolitik … weder realistisch noch wünschenswert“ sein? Ich fühle mich durch US-amerikanische Maßnahmen seit langem gefährdet und nicht gesichert. […]
HARTMUT BERNECKER, Bietigheim-Bissingen
Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.