Antiterror-Prozess gegen Journalisten: Anklage mit heiklen Folgen
Zwei schwedische Journalisten stehen in Addis Abeba vor Gericht. Sie spürten dort der Firma Lundin-Öl nach. Das ist Außenminister Carl Bildt alles andere als recht.
STOCKHOLM taz | Seit Dienstag wird zwei schwedischen Journalisten vor einem Gericht in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba der Prozess gemacht. Johan Persson und Martin Schibbye sind angeklagt, gegen die Antiterrorgesetze des Landes verstoßen zu haben.
Ihnen drohen langjährige Haftstrafen. Doch Schwedens Regierung lässt öffentliches Engagement für seine beiden Staatsbürger vermissen. Außenminister Carl Bildt sagte, dass man den Journalisten ja abgeraten habe, dorthin zu reisen.
Mittlerweile fragen Teile der schwedischen Öffentlichkeit nach den Gründen für diese Haltung. Selbst im politischen Lager des Außenministers wächst die Kritik. Die außenpolitische Sprecherin der mitregierenden Christdemokraten erklärte, sie hätte eigentlich erwartet, dass Bildt angesichts des Prozesses die Bedeutung der Pressefreiheit und die Priorität für Menschenrechte und Demokratie hervorhebe. „Dazu habe ich bislang kein Wort gehört“, sagt Desirée Pethrus.
Die beiden Journalisten waren am 1. Juli nach einem Feuergefecht zwischen äthiopischen Regierungstruppen und einer Einheit der Ogaden National Liberation Front (ONLF) verhaftet worden. Sie waren illegal aus Somalia ins äthiopische Ogaden eingereist, weil sie in dieser ölreichen Provinz den Aktivitäten des schwedischen Ölkonzerns Lundin-Oil nachgehen wollten.
Die Firma ist ein kleiner, aber profitabler Akteur auf dem internationalen Ölmarkt und in Ländern aktiv, die großen Ölkonzernen „zu heiß“ sind. Im vergangenen Jahrzehnt war sie in den Bürgerkriegsgebieten Sudans oder Äthiopiens tätig. Menschenrechtsorganisationen verurteilen seit langem sie skrupellose Vorgehensweise solcher Firmen (Bericht der European Coalition on Oil in Sudan PDF-Form). Denn um den Ölgesellschaften das Terrain für ihre Geschäfte in solch umkämpften Gebieten zu „bereiten“, seien Tausende getötet und Zehntausende gewaltsam umgesiedelt worden.
Der Außenminister als Geschäftsmann
Außenminister Bildt hatte nicht nur über privaten Aktienbesitz eigene Geschäftsinteressen an Lundin-Oil. Er saß auch bis kurz vor seinem Amtsantritt 2006 im Aufsichtsrat von Lundin-Oil. Dort waren in dieser Zeit die Grundlagen für das umstrittene Ogaden-Engagement gelegt worden.
Bildt weicht Fragen nach seiner zumindest ethischen Verantwortung konsequent aus. Kritikern wirft er mitunter Lügen vor. Könne sich Schweden wirklich einen „skrupellosen Geschäftsmann“ als Außenminister leisten, fragte die Tageszeitung Expressen. Die Recherchen von Persson und Schibbye könnten den Druck auf Bildt weiter verstärken.
Die beiden Journalisten haben einen Anklagepunkt zugestanden: Sie seien illegal eingereist. Den Terrorvorwurf weisen sie zurück. Ihr einziger Bezug zur ONLF sei gewesen, dass Sympathisanten ihnen bei ihren Recherchen geholfen hätten. Der Prozess gegen sie wird am Donnerstag fortgesetzt und dürfte laut einem Verteidiger vier bis sechs Monate dauern.
Leser*innenkommentare
Aus-Äthiopien
Gast
Die illegale Einreise resultiert in Äthiopien normalerweise in weit geringeren Strafen. Die Regierung hat aber Interesse daran, keine unabhängigen Reportagen aus der Ogaden-Region zuzulassen und auch weitere Journalisten abzuschrecken, ähnliches zu probieren. Der Terrorvorwurf könnte in bis zu 40 Jahren Haft resultieren — und umso mehr, da das schwedische Außenministerium stärkeren Protest vermissen lässt. Die Problematik ist eher nachrangig zum Vorgehen der äthiopischen Behörden, wird damit aber eine richtig große.
mary
Gast
das thema lundin-öl ist immer mal wieder thema in den schwedischen medien,
aber ist dann schnell wieder vom tisch.entweder ist bild dazu entweder nicht zu sprechen,oder er gibt sehr unklare ,nicht befriedigende antworten.wie zu vernehmen ist,hat sich das außenminisrerium im bezug auf hilfe für die beiden journalisten sehr zurückgehalten,augenscheinlich ist bild wenig daran interessiert,
sie nach hause zu bekommen.er hat kurz mitgeteilt,daß die journalisten illegal eingereist sind und man da eben mit den folgen rechnen muß.wie vic richtig sagt
"der fisch stinkt vom kopf her"
Webmarxist
Gast
IN der EU ist die Pressefreiheit garantiert. Die beiden Journalisten worden verhaftet, weil sie illegal eingereist sind und gegen die Anti-Terror.Gesetze des Landes verstoßen haben. Sie wollten nur Recherchen über die Firma Lundin-Öl machen. Aber in deren Aufsichtsrat saß zufällig der Außenminister Schwedens Carl Bildt. Die Firma hat also mächtige Fürsprecher. Dem die Recherchen nicht gefallen haben. Hoffentlich werden sie bald entlassen.
vic
Gast
Die alte Weisheit vom Fisch, der vom Kopf her stinkt, sie stimmt auch in Schweden.