Anna Hunger : Menschenkette 2.0 in Oberschwaben
Seit Juni 2013 zeigen die Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden, wie die amerikanischen Geheimdienste, allen voran die NSA, uns lückenlos ausspionieren. Für US-Präsident Barack Obama ist Snowden seitdem ein Landesverräter, dem der Prozess gemacht werden muss. Für den Druckermeister Made Höld ist die Veröffentlichung unzähliger Dokumente der totalen Überwachung dagegen eine mutige Heldentat. Und Helden gilt es vor ungerechter Verfolgung zu schützen. Deshalb bot er auch die Ravensburger Kultkneipe „Räuberhöhle“ als „exterritoriales“ Asylheim für den Wistleblower an. Was gut gewesen wäre, denn die kleine Kneipe steht seit längerem vor dem Aus. Der Besitzer würde viel lieber ein paar Wohnungen für Gutbetuchte dort sehen als einen Haufen Räuber an der Bar, die sich die Bäuche mit Schinken-Käse-Seelen (Kultgericht!) und Hefeweizen vollschlagen.
Edward Snowden kam leider nicht nach Ravensburg. Und so hatten die Räuber, sprich die Mitglieder des Trägervereins der Lokalität, eine Menge Zeit, zwei andere Clous vor- und umzusetzen: Das Karten-Legespiel „Räubern“ (schwer zu empfehlen!) und die Aktion „Oberschwaben ist bunt“, eine Menschenkette der besonderen Art.
Made Höld, Lebenskünstler und politischer Aktivist seit Jahrzehnten, ist ein großer Freund von Menschenketten. Das Problem sei aber immer, sagt er, dass da eine Menge Leute kilometerweit „angekarrt“ würden, „nur um sich an den Händen zu halten“. Das sei „echt unökologisch“. Deshalb haben Höld und der Kulturverein „Nätwörk Süd“ ihre eigene Menschenkette „Für Toleranz und gegen rechts“ seit Mai 2013 digital ins Netz verlagert. Abgasfrei, zeitsparend, effektiv. Ein weiterer Vorteil: ganze Firmen, Kirchenverbände, Vereine, Gewerkschaften oder Organisationen können im Kollektiv ganz leicht mitmachen. Einfach Foto hochladen - fertig (www.oberschwabenistbunt.de).
Die Idee zur Aktion hatten Höld und eine Gruppe von Menschen mit und ohne psychische Behinderung aus dem Zentrum für Psychiatrie. Made Höld arbeitet in der Druckerei der Klinik in Weissenau. Vor deren Toren erinnern zwei steinerne Busse an die 691 psychisch kranken Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs von den Nationalsozialisten in das Vernichtungslager Grafeneck bei Gomadingen deportiert und dort umgebracht wurden. Jedes Jahr am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des KZ Auschwitz, gedenken die Ravensburger der Opfer.
Als Made Höld und eine Gruppe Menschen mit und ohne psychische Behinderung die Gedenkveranstaltung für 2014 planten, kam ihnen die Idee, ein buntes, weithin sichtbares und jugendliches Zeichen zu setzen gegen rechts, gegen das Vergessen und für interkulturelle, grenzübergreifende Toleranz. Die Stadt Ravensburg stieg kurz darauf als Mitveranstalter ein, das Bündnis für Demokratie und Toleranz und das Bundesfamilienministerium sind ebenfalls mit von der Partie. Gefördert wird die Aktion im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“.
Eigentlich sollte die Aktion eine regionale bleiben. Mittlerweile wird die Menschenkette unterstützt von amnesty international, vom BUND, der Diakonie. Als Schirmherr konnten die Ravensburger Martin Schulz, den Präsidenten des EU-Parlaments, gewinnen. Der hat auch gleich ein Foto von sich machen lassen und sich in das digitale Händehalten für mehr Toleranz eingereiht.
Präsentiert wird die digitale Menschenkette in Endlosschleife auf dem Musikfestival „Oberschwaben ist bunt“, dem Abschluss-Event der Aktion gegen Rechts, das am 1. Februar 2014 in der Oberschwabenhalle in Ravensburg stattfindet. Als Headliner des Mega-Konzerts reist die Band Jenniffer Rostock aus Berlin an, es gibt außerdem ordentlich Punk, Swing und Rock auf die Ohren, in den Umbaupausen, sagt Höld, auch ein bisschen Kabarett.
■ Die Kontext-Wochenzeitung reiht sich in die Menschenkette ein und empfiehlt am 1. Februar 2014: Ab nach Ravensburg, es lohnt sich! Karten gibt’s unter www.reservix.de