■ Philosoph und Auto: Animalisch
Mensch und Fahrzeug bilden eine Einheit, in der das Fahrzeug die Rolle des besseren Ich übernehmen kann. Es ist aber nicht das bessere Selbst, sondern das schnellere, das kinetisch mächtige Ich, das sich im Automobil darstellt. Überhaupt in allen Kulturen, die das Rad, den Wagen, die Reiterei entdeckt und das kentaurische Motiv entwickelt haben: Der Mensch mit seiner Energie reitet auf animalischer Energie, verwandelt zum Hybridwesen mit menschlicher Front und Pferdeunterleib.
Daneben gibt es phallische und anale Komponenten am Auto: das primitiv-aggressive Konkurrenzverhalten, das Überholen, bei dem der andere, der langsamere, fast wie beim Stuhlgang, zur abgestoßenen Scheiße wird. Das ist praktisch eine archaische Form der Reinlichkeitserziehung am besseren, am automobilen Selbst. Das alles sind sehr dunkle Motive, die beim zivilisierten Menschen blitzschnell aufbrechen, wenn er am Steuer sitzt.
Das Auto ist auf der Fahrt ins Nirgendwo, auf der Fahrt in die Fahrt. Unsere Autos sind Zirkusfahrzeuge, Vehikel der Aussichtslosigkeit. Autofahren ist eine Art säkulare kinetische Religion, eine Weltreligion. Und die Moderne ist wie eine Arena, eine in sich geschlossene Strecke, ein Rundzirkus. Deshalb sind Formel-1-Rennen so wichtig. Sie sind der moderne Beleg für das, was der Apostel Paulus sagt, wenn er schreibt: Im Kreise laufen die Gottlosen.
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