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■ Angst über der Stadt: Die Albaner waren da!Die Achse Frankfurt–Tirana steht!

„Die Albaner kommen!“ hatte die Bild-Zeitung Ende Februar aufgeregt vermeldet. „Ja, ja, die Albaner: werden noch unser aller Untergang sein“, schmunzelt es leise in uns. Laut hingegen wollen wir erst einmal die verschreckte Springer-Redaktion beruhigen: „Die Albaner sind praktisch wieder weg! Und zwar alle beide!“

Wir haben sie nämlich gesehen. In Frankfurt. Die Albaner. Zwei zählten wir, ihre Namen waren Filip Çakuli und Genz Tirana. Angst hatten wir nicht.

Eigentlich waren ja Fatmir S. und Mustafa M. in Frankfurt erwartet worden. Hatten diese beiden, Redakteure des albanischen Satiremagazins Hosteni 2000, doch an die Redaktion der Titanic geschrieben, sie würden dem Kollegen „Sir Hans Zippert“ und seinen „honourable Gentlemen“ gerne a „working visit“ abstatten. Die Frankfurter Redaktion hatte daraufhin eine Einladung ausgesprochen, Grundvoraussetzung für zwei gesponserte Flugtickets und die benötigten Visa.

Und an dieser Stelle kamen dann wohl die Redaktionsleiter von Hosteni 2000 ins Spiel: Filip Çakuli und Genc Tirana. Den beiden Chefsatirikern – baß erstaunt, als sie per Zufall von den eher eigenmächtigen Reisevorbereitungen ihrer Angestellten erfuhren – gefiel deren Plan. Im Prinzip. Im Detail nicht. Sie feuerten die zwei und traten die Reise selber an.

Das sei schon in Ordnung so, stellten die Herren Çakuli und Tirana bei Titanic klar. Ihre Ex-Redakteure hätten doch nur Visa und Freiflüge abstauben wollen, um Bekannte in Deutschland zu besuchen. Auch sie, Çakuli und Tirana, hätten da übrigens einen Freund in Marburg, es gäbe allerdings keine Devisen. Ob es möglich sei...

Es war möglich. Am nächsten Tag hatten Çakuli und Tirana eine entfernte Schwägerin in Göttingen. Das befanden die Gastgeber für unmöglich. Somit hatte man jetzt Zeit für einen hochoffiziellen Fototermin (Motiv: feierliches Händeschütteln vor der albanischen Fahne). Und bilaterale Verträge („Abkommen über den regelmäßigen Austausch von Pointen sowie ätzenden Karikaturen“). Und wohlklingende Reden. („Die Achse Frankfurt–Tirana steht!“)

Anschließend begutachteten die Titanic-Redakteure die aktuelle Ausgabe von Hosteni 2000. In ihrer improvisierten schwarzweißen Aufmachung erinnert sie formal stark an die legendäre Bielefelder Schülerzeitung Der Spanner aus dem Jahr 1984. Das haben die höflichen Frankfurter nicht gesagt. Sondern sich stark beeindruckt gezeigt ob des konsequenten Einsatzes von Pin-up-Girls. Auch wenn diese oftmals durch aufmontierte Politikerköpfe zu Objekten beißender Satire verfremdet worden waren.

Im Gegenzug befanden die Herren Çakuli und Tirana das deutsche Satiremagazin recht schnell für „etwas kühl“ (meint: zu wenig Pin-ups). Dann widmeten sie sich einem herumliegenden Exemplar der Zeitschrift Sex-Tanga. Sex- Tanga arbeitet mit ähnlichen Stilelementen wie Hosteni 2000, nur tragen die Damen hier keine fremden Köpfe, sondern gleich komplette Herren. Abends sprachen alle Beteiligten in der Frankfurter Schankwirtschaft „Horizont“ gemeinsam und völkerverbindend dem Weizenbier zu. Am nächsten Tag flogen „die Albaner“ zurück. Wir können es bezeugen.

Epilog: Auf einem Konferenztisch in Frankfurt liegen ein paar Ausgaben von Hosteni 2000. Ein Magazin namens Sex-Tanga hat eine lange Reise angetreten und konnte sich zum unerschöpflichen Materialfundus für politsatirische Fotomontagen verbessern. Grund zur Aufregung hat nie bestanden. Und die Achse Frankfurt–Tirana steht! Martin Sonneborn

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