Angriffe gegen Baschar al-Assad: Syrienkrieg flammt wieder auf
Im Nordwesten Syriens kam es zu den stärksten bewaffneten Gefechten gegen das Assad-Regime seit 2020. 45.000 Zivilist*innen mussten fliehen – und es könnten noch mehr werden.
taz | Im Nordwesten von Syrien, im Umland von Aleppo und Idlib, kam es am Donnerstag zu einer überraschenden Offensive islamistischer Rebellengruppen gegen die Truppen von Baschar al-Assad. Bei den Kämpfen seien mehr als 130 Menschen getötet worden, meldet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Unter den Toten sind demnach 83 Kämpfer der HTS-Allianz und 49 Soldaten des Assad-Regimes. Die Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen aus syrischen Quellen.
Die islamistische Gruppierung Hajat Tahrir al-Scham (Komitee zur Befreiung der Levante, HTS) ist am Mittwoch gemeinsam mit der Nationalen Befreiungsfront (NLF) in die Provinz Aleppo vorgestoßen, die von der syrischen Regierung kontrolliert wird. Die Miliz erklärte, den größten Stützpunkt der Regierungstruppen im Umland von Aleppo sowie Ortschaften in rund 110 Quadratkilometern Entfernung eingenommen zu haben.
Die HTS sind ein Bündnis verschiedener islamistischer Milizen und die größte bewaffnete Anti-Assad-Miliz in der Region Idlib. Assads Verbündete sind Russland, Iran und die libanesische Miliz Hisbollah, während die Rebellengruppen von der Türkei unterstützt werden. Die Vorläuferin der HTS, die Al-Nusra-Front, wurde 2011 als Verbündete von al-Qaida gegründet.
Die syrische und russische Luftwaffe greifen täglich Idlib und West-Aleppo an. Sie haben die Luftangriffe nun intensiviert und ausgeweitet. Die Rebellen erklärten, ihre Angriffe seien eine Reaktion auf die Bombardierung von Zivilist*innen im Süden Idlibs.
In den betroffenen Gebieten im Nordwesten sind die Schulen geschlossen, vierundzwanzig Gesundheitseinrichtungen haben ihren Betrieb eingestellt, meldet das EU-Amt für humanitäre Hilfe. Durch die Kämpfe sind wieder viele Menschen auf der Flucht. Berichten zufolge wurden bereits bis zu 45.000 Menschen aus dem Frontgebiet vertrieben. Hilfsorganisationen schätzen zudem, dass weitere 200.000 bis 400.000 Syrer*innen vertrieben werden könnten.
Seit Kriegsbeginn 2011 sind mehr als 7 Millionen Syrer*innen ins Ausland geflüchtet. Eine halbe Million Menschen wurden getötet. Bewaffnete Aufständische sind vor allem im Nordosten Syriens, den Assad nicht zurückerobern konnte. Die Gegenden werfen schwierige politische und völkerrechtliche Fragen auf, gleichzeitig ermöglichen sie Millionen von Menschen ein Leben außerhalb der Staatsgewalt unter Baschar al-Assad.
Der Chef der Syrischen Nationalen Koalition, Hadi Al-Bahra, machte die internationale Gemeinschaft für die anhaltende Gewalt des Assad-Regimes verantwortlich. Die Koalition oppositioneller Gruppen wird von der EU anerkannt und ist im Konflikt mit der islamistischen HTS. Das Assad-Regime beginge Kriegsverbrechen und lehne politische Lösungen ab. Das internationale Schweigen zur Straflosigkeit und die anhaltende Blockade seitens Russlands und Chinas von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zeigten dem Regime, dass es seine Verbrechen gegen syrische Zivilist*innen fortsetzen könne.
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