Andreas Speit Der rechte Rand: Wie die AfD sich in Betrieben breitmacht
Der rechtsextreme Verein „Zentrum“ aus Stuttgart, der schon eine Weile versucht, sich als „alternative Gewerkschaft“ in den Betrieben breitzumachen, könnte eine regionale Gruppe in Niedersachsen bekommen. Jens Keller, Vorsitzender der AfD-Stadtratsfraktion Hannover, kündigte an, eine landesweite Gruppe in Niedersachsen oder wenigstens eine regionale Gruppe in Hannover aufbauen zu wollen.
Keller ist seit 2015 Mitglied der AfD. Ihn brachten, so ist es auf der Website der AfD-Fraktion Hannover zu lesen, „Euro-Skepsis und Kritik der,alternativlosen‘ merkelschen Euro-,Rettungs‘-Politik“ zu der Partei, die gerade vom Bundesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft worden ist. Später habe ihn auch das restliche Wahlprogramm größtenteils überzeugt, sagte er.
Seit 2009 ist Keller beim kommunalen Entsorgungsunternehmen „Aha“ und er ist Mitglied der Gewerkschaft Ver.di. Im Februar 2024 sorgte seine Kandidatur für den Personalrat von „Aha“ für eine Debatte über die Vereinbarkeit von der gleichzeitigen Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft und in der AfD. Seine Kandidatur war aber erfolgreich, mit 626 Stimmen erreichte er das beste Ergebnis für das 15-köpfige Gremium.
Bereits vor Kellers Wahl in den Personalrat hatte Ver.di-Landesbezirksleiterin Andrea Wemheuer erklärt, dass die aktive Tätigkeit für die AfD nicht mit den Positionen der Gewerkschaft zu vereinbaren sei. Der Ver.di-Bezirk Niedersachsen-Bremen versuchte, Keller auf dem Rechtsweg bis 2027 für gewerkschaftliche Ämter sperren zu lassen. Das Landgericht Berlin entschied im Januar dieses Jahres aber, dass Keller alle Rechte zustehen. Er konnte seine Position als Vertrauensmann wieder aufnehmen. Eine Perspektive bei Ver.di sieht Keller trotz des erstinstanzlichen Sieges nicht mehr. Er hat seinen Austritt aus der Gewerkschaft angekündigt.
Die neu-rechte Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) schreibt, Keller wolle Ver.di „freiwillig“ verlassen. Im Januar hatte Keller der JF noch gesagt, er wolle „bei der nächsten Wahl für den Ver.di-Bundesvorstand kandidieren“. Er habe „positiven Zuspruch“ von den Mitgliedern erhalten, weil er sich „gegen die Ungleichbehandlung aufgelehnt habe“. Davon ist nun keine Rede mehr.
Diese vermeintliche Ungleichbehandlung von Ver.di-Mitgliedern, die gleichzeitig in Parteien engagiert sind, lässt die Gewerkschaft nicht unkommentiert. Ver.di-Landesbezirksleiterin Wemheuer weist darauf hin, dass die Satzung „unverrückbare Grundsätze benennt“, sich zum „demokratischen und sozialen Rechtsstaat“ bekenne, sich auch für die Gleichstellung von Mann und Frau, für die Einhaltung der Menschenrechte und für die Achtung der Menschenwürde einsetze. „Um diese Ziele zu erreichen“, setze man sich gegen „faschistische und rassistische Einflüsse“ und für die „Interessen von Arbeitnehmer*innen mit Migrationshintergrund“ ein. Die Positionen der AfD seien folglich „unvereinbar“ mit Ver.di, so Wemheuer.
In einem Video, das „Zentrum“ auf Tiktok veröffentlicht hat, greift Keller die Gewerkschaft, der er mit 16 Jahren beigetreten ist, an. Ver.di sei bloß noch ein „Sprachrohr der Altparteien“ und mache gegen demokratische Parteien mobil. Mit demokratischer Partei meint Keller die AfD. Kellers Jargon passt zum Jargon vom „Zentrum“. „Wir sind die Opposition zu den gekauften Einheitsgewerkschaften“, die „Teil des Problems“ seien, schreibt der rechtsextreme Verein in seiner Selbstdarstellung.
Den Vorläufer von „Zentrum“ gründete übrigens Oliver Hilburger, einst Mitglied der Rechtsrockband „Noie Werte“, bei Daimler im Stammwerk Stuttgart-Untertürkheim. Der Verein hieß damals „Zentrum Automobil e. V.“ und war eine rechte Arbeitnehmervereinigung für die Autobranche.
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