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Andreas Rüttenauer Lebenslänglich Bayer: Der schwarze Metzger

Dem Ignaz ist auf den ersten Blick anzusehen, wie stark er ist. Es heißt, das liege daran, dass der Bub als Säugling in einen Kessel mit dem warmen Blut eines frisch geschlachteten Schweins gefallen ist. Und was der essen kann! Das Staunen ist jedenfalls groß, wenn der Ignaz in der Hofpause auch die fünfte Leberkassemmel in sich hineinverfrachtet, ohne auch nur einmal aufstoßen zu müssen. Als es im Unterricht einmal darum gegangen ist, wie wertvoll eine ausgewogene Ernährung ist, hat die Lehrerin ihn deshalb als positives Beispiel vor der ganzen Klasse gelobt und ihm die Gelbwurst der Woche überreicht.

Schon kurz nachdem der neue Landwirtschaftsminister und Metzger Alois Rainer diese Auszeichnung als eine Art Bundes­jugendspiele für den Magen in den Schulen etabliert hatte, rissen sich die Kinder um das gebrühte Schweinebrät in der markanten Plastikhaut. Was könnte es auch Schöneres geben für ein Kind als eine Gelbwurst? Eine Scheibe Presssack vielleicht. Ein Wammerl. Lüngerl oder saure Nieren. Ein Leberknödel ist gewiss auch nicht zu verachten. Und welcher Lausbub würde sich nicht gern einen Teller frisch gegarten Kesselfleischs zuführen? Nach altem Rezept – mit Schweinskopf und gewolfter Bauchspeckschwarte, gut gesalzen, gepfeffert sowie mit Majoran verfeinert.

Der kleine Sören freut sich jedenfalls genauso wie die freche Kim, wenn der mobile Metzger mit seinem Bus vorfährt und eine traditionelle Schulhofschlachtung durchführt. Der starke Severin hat gleich eine Note besser in Biologie gekriegt, weil es ihm beim letzten Mal gelungen war, den Schädel der Sau nach dem Ausbluten mit einem einzigen Axthieb vom Körper zu trennen. Auch wenn die Blutflecken auf dem T-Shirt, das er damals trug, auch nach dem dritten Mal Waschen immer noch zu sehen gewesen sind, war seine Mutter ziemlich stolz auf ihn.

Weil es beim Thema Essen immer auch kritische Stimmen gibt, konnte es nicht ausbleiben, dass auf den Elternabenden über das neue Essensregiment in der Schulkantine diskutiert wurde. Am Ende überwog dann doch die Freude über die Entscheidung, im Sinne der Abwechslung zum Schweins­braten mal Semmel- und mal Kartoffelknödel zu servieren. Letztere seien sogar vegan, witzelte der Schuldirektor, und auch die Mutter des kleinen Yussuf musste lächeln, obwohl sie ja eigentlich gekommen war, um ihre Kritik am doch arg schweine­fleischlastigen Speiseplan zu äußern.

Am Ende hat auch sie eine Karte für den Auftritt des Fleischsommeliers gekauft, der in der nächsten Woche in der Aula zeigen würde, wie man den Unterschied zwischen einer abgebräunten Milzwurst und einer Wollwurst am besten beschreiben kann. Auf jeden Fall gilt auch hier, was der Minister Rainer beim traditionellen „Ogrillt is‘“ in Bad Füssing, seinem ersten offiziellen Termin im neuen Amt, gesagt hat. Beim Grillen sei es auch nicht anders als in der Politik. Eine Regel gelte immer: „Bloß nichts anbrennen lassen.“

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