: Andere könnten das auch! -betr.: "Wie Hipstedt seine Tamilen schützt", taz vom 4.1.95
Betr.: „Wie Hipstedt seine Tamilen schützt“, taz vom 4.1.
Eurer Artikel über die Streifengänge zum Schutz der TamilInnen klingt so, als wäre Hipstedt ein Musterdorf an Ausländerfreundlichkeit. Damit scheint eine Nachahmung an anderen Orten fast eine Unmöglichkeit. Dabei unterschied sich die Geschichte anfangs kaum von dem, was zur Zeit überall in Deutschland passiert.
Nach der ersten Nacht mit Autobränden leugnete die Polizei einen ausländerfeindlichen Hintergrund und ermittelte lediglich in Richtung „Persönlicher Racheakt“ (obwohl die TamilInnen davon nie ausgingen). Infolgedessen berichtete die Lokalpresse anfangs nicht über den Vorfall. Kaum jemand setzte sich in Kontakt mit den geschädigten Familien. Wären nicht einige Einzelpersonen im Ort sehr aktiv geworden, hätten mehrfach bei Polizei und Presse angerufen und den Versuch unternommen, die Betroffenheit in der Nachbarschaft der TamilInnen für eine Unterschriftenaktion zu nutzen, wäre wohl an Unterstützung nichts mehr nachgefolgt.
Erst die zweite Brandnacht brachte den Durchbruch. Nun gab es schon eine kleine Gruppe engagierter BürgerInnen, die schnell handelten. Presse und Polizei wagten nicht mehr, die Vorfälle links liegen zu lassen, und auch in der Bevölkerung veränderte sich die Stimmung: mensch traute sich, die Vorfälle ernst zu nehmen und für die TamilInnen Position zu ergreifen.
Unser Vorteil hier am Ort war, daß der Bürgermeister für Unterstützungsaktionen aufgeschlossen war, daß es keine offen auftretende organisierte Rechtsextreme gibt und die Überschaubarkeit im Ort das Reagieren erleichtert. In Hipstedt sind Situation und Bewußtsein ähnlich durchwachsen wie überall im Lande. Mit etwas Glück und Rödelei kann es gelingen, kurzfristig auftretende Stimmungen zu nutzen, um daraus solche „vorbildhaften Aktionen“ zu entwickeln. Ursula Trescher, Hipstedt
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