American Pie: Der Quereinsteiger
■ Nach 18 Jahren als TV-Kommentator coacht Larry Dierker jetzt selbst
Did you write the book of love
Man stelle sich vor, Bayern München schafft es noch, die Meisterschaft zu vergeigen, feuert anschließend Giovanni Trapattoni und heuert dann Reinhold Beckmann als neuen Trainer an. Unvorstellbar? Ungefähr das geschah in Houston, als die dort Baseball spielenden Astros im letzten Jahr einen katastrophalen letzten Saisonmonat hinlegten und die sicher geglaubte Playoff-Teilnahme noch verspielten. Cheftrainer Terry Collins wurde verabschiedet, und Drayton McLane, Besitzer der Astros, lud Larry Dierker zu einem Gespräch, von dem der TV-Kommentator glaubte, daß es das übliche journalistische Informationstreffen sei. Statt dessen offerierte McLane dem in Shorts aufgelaufenen Fernsehmann den freigewordenen Job.
Zwar hatte der 50jährige Dierker in den 18 Jahren als TV-Kommentator wahrscheinlich mehr Spiele der Astros gesehen als irgend jemand sonst, aber andererseits keinerlei Erfahrung als Trainer vorzuweisen. Immerhin hatte er 14 Jahre selber als Pitcher erfolgreich Baseball gespielt, aber nicht einmal das Little-League-Team seines Sohnes gecoacht. Die Reaktionen waren entsprechend. Die Spieler der Astros brachen in schallendes Gelächter aus, als sie erfuhren, daß der nette Herr, der regelmäßig mit ihnen Abende an der Bar verbrachte, sie demnächst auf Vordermann bringen soll. „Diese Entscheidung“, so Gerry Hunsicker, Houstons Generalmanager, „wurde als alles mögliche bezeichnet, von völlig daneben bis zu Publicity-Gag.“ Tatsächlich wurde die Verpflichtung des in Houston überaus beliebten Dierker bekannt gegeben, als gerade eine Abstimmung anstand, ob die Stadt ein neues Baseballstadion bauen soll. Zumindest das hat funktioniert: Die neue Arena soll im Jahr 2000 fertig werden.
Nun muß Dierker nur noch sportlich erfolgreich sein. Eine seiner ersten Amtshandlungen war das ausgiebige Studium von „The Official Rules of Baseball“, einem Buch, das „etwas Redigierarbeit bitter nötig hätte“, wie Dierker feststellte. Auf dem Weg zum Training übte er im Rückspiegel sein frisch entworfenes System an Geheimzeichen, um mit seinen Spielern auf dem Feld kommunizieren zu können. Und bis jetzt führen die Astros ihre Division in der National League mit 18:13 Siegen an.
Sollte doch ein Rückschlag kommen, wird sich Dierker das Beispiel Joe Torre vor Augen halten. Der war ebenfalls beim Fernsehen, bevor er 1977 Trainer der katastrophalen New York Mets wurde und sich auch mit ihm der Erfolg nicht schnell einstellen wollte. Letzten Herbst gewann Torre mit den New York Yankees erstmals die World Series. Thomas Winkler
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