American Pie: Weltuntergangsahnung
■ Für die US Open interessieren sich noch nicht einmal mehr die TennisspielerInnen
So come on, Jack be nimble, Jack be quick
Es hat im Achtelfinale der Offenen Amerikanischen Tennis- Meisterschaften in New York allerhand Bemerkenswertes gegeben: Der Weltranglisten-Erste Pete Sampras (USA) setzte beim 6:4, 6:3, 6:2 dem Russen Marat Safin so zu, daß der benommen rief: „Ich muß noch viel arbeiten, um die Hälfte von Sampras zu werden.“ Gleichzeitig lieferten Mary Pierce (Frankreich) und Venus Williams (USA) spannende Unterhaltung; wobei sich Williams' Wucht gegen Pierce' Esprit 6:1, 7:6 durchsetzte. Danach bekam Schauspielerin Brooke Shields feuchte Augen, weil der böse Slowake Karol Kucera ihren Gatten Andre Agassi nicht in Ruhe gewinnen ließ, ehe der Regen die Partie beim Stande von 3:6, 3:6, 7:6, 3:0 unterbrach. Und zwischendurch bekam man eine Ahnung davon, wie ein Weltuntergang aussieht. Um drei wurde es nämlich nachtfinster, und so etwas wie eine Sintflut setzte ein. Glücklicherweise hatte der amerikanische Tennisverband zeitig gewarnt: „Ein Gewitter kommt, bitte stellen Sie sich unter.“
Den Amerikanern war das egal, für die spielte sich das Ereignis des Tages etwa 1.200 Kilometer südwestlich, in St. Louis, ab: Dort schaffte Mark McGwire, Baseballer der St. Louis Cardinals, seinen 61. Homerun der Saison, womit er den Rekord von Roger Maris aus dem Jahr 1961 einstellte und die Nachrichtensendungen des Landes zu Eilmeldungen veranlaßte.
Seit Wochen gibt es im US- Sport eigentlich nur noch ein Thema: the pursuit of Maris, die Jagd auf Maris' Uraltbestmarke. Und das merkt man bei den US Open: Das größte Tennisturnier Amerikas geht ein bißchen unter im Mediengetöse um den Rekordjäger. Außerdem blicken die Tennis-Stars selbst ehrfürchtig auf zu McGwire. Die bekennende McGwire-Anhängerin Lindsay Davenport (USA) bezwang Nathalie Tauziat (Frankreich) 6:1, 6:4 und erkundigte sich gleich, ob McGwire schon den 62. Homerun nachgereicht habe: „Ist's passiert?“ Agassi hält McGwire für „phänomenal“. Denn: „Ein Homerun ist das Schwierigste auf der Welt.“ Sampras hat auch
Echtes Objekt historischer Begierde: McGwire Foto: Reuters
Historisches vor; seinen zwölften Grand-Slam-Titel will er gewinnen, was bisher nur dem Australier Roy Emerson gelang. Trotzdem sagt er: „Was McGwire durchmacht, ist viel großartiger.“
Selbst Nicht-Amerikaner sind begeistert. Die Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario erfuhr von McGwires neuestem Coup in der Regenpause. „Unglaublich“, jubelte sie und versandte liebe Grüße an den Helden: „Ich gratuliere.“ Sie selbst kegelte das russische Model Anna Kournikowa 7:6, 6:3 aus dem Bewerb. „Ein großer Sieg für mich“, fand Sanchez-Vicario. Aber natürlich viel kleiner als der von McGwire. Thomas Hahn, New York
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