piwik no script img

American PieBucky oder Clinty?

■ Selbst das Olympiamaskottchen leidet unter dem Bestechungsskandal in Salt Lake City

And in the streets the children

screamed

„Sie haben nur ganz normal Geschäfte gemacht“, sagt David Poltrack, Vizepräsident des Fernsehsenders CBS über die Olympiabewerber von Salt Lake City, „sie sind bloß diejenigen, die erwischt wurden.“ Erwischt wurden auch andere, zum Beispiel die Berliner mit ihren geheimdienstlichen Aktivitäten bezüglich der Korruptionszugewandtheit von IOC- Mitgliedern. Aber die deutschen Dilettanten scheiterten, stopften so ziemlich alle Verfänglichkeiten in den Reißwolf und sind fein raus. Die Mormonenstadt in den Rockies hingegen hat ein kleines Problem: Sie bekam die Winterspiele und muß sie allem Anschein nach 2002 auch veranstalten.

Nicht allzuviel Zeit, um den Ruch der Schändlichkeit wenigstens soweit loszuwerden, daß am Ende spektakuläre Wettkämpfe und nicht der schlechte Charakter der Leute in Utah Thema Nummer eins ist. Angetreten waren sie, der Welt zu zeigen, daß die Bewohner von Salt Lake City keineswegs so langweilige, biedere und moralinsaure Leute sind, wie boshafte Zeitgenossen, allen voran ein gewisser Dennis Rodman, gern behaupten. Der Beweis ist ihnen vorzüglich gelungen. Auch Mormonen sind menschlich, ist die neue Botschaft. Nun ist es wieder nicht recht.

Besonders der Vorwurf, die Bewerber hätten IOC-Mitglieder mit Prostituierten versorgt, bereitet den Nachfahren des dem weiblichen Geschlecht durchaus zugetanen Brigham Young fast körperliche Schmerzen. Die Verwicklung führender Angehöriger der Mormonengemeinde in die Olympiaaffäre sorgt für mehr Kummer, als die Aussicht, für ein durch den Skandal verursachtes Defizit aufkommen zu müssen.

Einige Untersuchungen laufen noch, täglich kommen neue Verdachtsmomente ans Tageslicht, und das letzte Wort über einen eventuellen Rückzug wichtiger Sponsoren ist keineswegs gesprochen. Das IOC hat längst signalisiert, daß es nicht daran denke, der gebeutelten Stadt finanziell unter die Arme zu greifen – denkbar wäre eine Aufstockung des Anteils der Organisatoren an den Fernseheinnahmen. Aber auch, wenn die Rechnung noch aufgehen sollte, gibt es eine Menge Verlierer in der Korruptionsaffäre. Die einst gefeierten, jetzt zurückgetretenen Bewerber Tom Welch und Frank Joklik, die Bürgermeisterin Deedee Corradini, die auf eine weitere Amtszeit und darauf, als stolze Schirmherrin über die Mattscheiben der Welt zu flimmern, verzichtet, möglicherweise auch NBC. Rund 3,5 Milliarden Dollar zahlt der Fernsehsender für das Recht, die fünf Olympischen Spiele von 2000 bis 2008 zu übertragen, davon 545 Millionen für Salt Lake City. Bislang sind die Vertreter aller TV- Networks der Meinung, daß der Skandal keinen negativen Einfluß auf die Spiele selbst und die Einschaltquoten haben werde. „Ich denke nicht, daß irgend jemand wirklich schockiert über das ist, was da passierte“, sagt CBS-Chef Leslie Moonves und setzt damit auf die Hartgesottenheit der Amerikaner. „Die Olympischen Spiele leben von den Athleten“, hofft Scott Sassa, einer der NBC-Präsidenten, dessen Sender erst vor kurzem seinem Logo auf dem Bildschirm die Olympischen Ringe hinzugefügt hat. „Wir lassen es dort“, bekräftigt Sassa. Einig sind sich alle Fernsehleute, daß Salt Lake City sehr vorsichtig mit dem Kommerz sein muß. Sonst heiße es sofort: Schaut, da halten diese Mormonen schon wieder die Hand auf.

Besonders übel mitgespielt wird derzeit dem Maskottchen der Spiele in Utah. Dessen Präsentation wurde angesichts des Skandals verschoben, was nicht sehr klug war, denn die Entscheidung bietet jede Menge Raum für boshafte Mutmaßungen. „Cashie the Bag“, schlug Talkshow-Host Jay Leno vor, eine Radioumfrage brachte noch weitere hübsche Ideen. „Clinty wäre perfekt“, meinte ein Hörer. Gut im Rennen auch Rehbock „Bucky“, ein an Bambi angelehntes Modell, das zeige, wo der „Buck“ (Dollar) landet. Wiesel, Frettchen oder der „Abominable Dough Man“ könnten gute Chancen haben, ob sie allerdings den „Rotkehligen Rückenkratzer“, einen Stelzenvogel , dessen Ruf „Gimme, gimme“ lautet, ausstechen können, bleibt fraglich. Heißester Kandidat für den Job ist ohnehin ein anderer: der achte Schneewittchen-Zwerg. Sein Name: „Greedy“. Matti Lieske

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen