■ Am Rande bemerkt Nichts ist schlimmer als ein Kinobesuch: Heimkino schließt Mißvergnügen aus
Kino ist umständlich, unbequem und teuer. Mit anderen Wor- ten: Das Ganze ist überflüssig. Wer ins Kino will, muß pünktlich dort sein, sich womöglich noch anstellen und wird dann meist gezwungen, alberne Werbung und langweilige Vorfilme anzu- schauen. Neulich habe ich mir Ken Loachs „Land and Free- dom“ angesehen, weil Freunde mich dazu überredet hatten.
Es war mein erster Kinobesuch seit zehn Jahren, doch geändert hat sich in der Zwischenzeit nichts – außer daß für mich der wichtigste Anreiz für einen Kinobesuch längst weggefallen ist: Als Teenager in Dublin ging man nur deshalb ins Kino, um in der letzten Reihe zu knutschen.
Heutzutage gibt es in manchen Kinos sogenannte „Love Seats“, bei denen die Armlehne in der Mitte fehlt. Früher flog man dagegen aus dem Kino, wenn man erwischt wurde. Welcher Film lief, war uns völlig egal. Hauptsache, er war lang. Störend waren allerdings die Pausen, wenn die Filmrolle gewechselt werden mußte und das Licht anging.
Auch daran hat sich offenbar wenig geändert. Bis es mit „Land and Freedom“ endlich losging, gab es zehn Minuten Werbung, zehn Minuten Vorankündigungen und zehn Kurzfilme aus den Kindertagen des Films, die keinen Menschen interessierten. Während der Vorführung des dritten Streifens sprang ein Mann auf und rief, er habe für einen Film über den spanischen Bürgerkrieg bezahlt und nicht für diesen Quatsch. Obwohl das Publikum ihm geschlossen applaudierte, zwang uns das Kinopersonal auch noch die restlichen sieben Kurzfilme auf. Dann schloß sich der Vorhang, das Licht ging an und verlosch nach drei Minuten, und der Vorhang öffnete sich wieder – ein lächerliches Ritual, denn für einen Klobesuch oder eine Tasse Tee war die Zeit zu kurz.
Leider reichte dem Pärchen vor mir die kurze Pause jedoch, um sich mit einer Wochenration Kartoffelchips einzudecken, und so raschelten sie sich durch den Film. Der Mann neben mir roch nach Schweiß, und die Frau hinter mir war stark erkältet. Am nächsten Tag hatte ich ebenfalls einen Schnupfen. Das ganze Mißvergnügen hat mich umgerechnet 15 Mark gekostet. Plus vier Mark für Cola und Kartoffelchips und fünf Mark für die Busfahrt. Macht summa summarum 24 Mark.
Heutzutage gibt es zum Glück Fernseher mit Großbildschirm und Raumklang: zwei Lausprecher vorne, einer in der Mitte und zwei hinten. Besser klingt auch die beste Kinoanlage nicht, vom bequemen Sessel ganz zu schweigen. Videoläden gibt es an jeder Ecke. Dort kann man für fünf Mark einen neuen Videofilm ausleihen, für drei Mark einen älteren. Wenn man sich die Kosten zu zweit oder dritt teilt, fallen sie überhaupt nicht ins Gewicht.
Ist der Film schlecht, schaltet man ihn leichten Herzens ab, statt das Eintrittsgeld abzusitzen. Noch ein paar Mark für Bier und Knabbereien, und der Abend ist gerettet. Wer auf die Toilette muß, verpaßt nichts, weil man den Film anhalten kann. Hat man eine Pointe nicht verstanden, spult man den Film ein paar Meter zurück. Und es muß ja nicht immer der neueste Streifen sein. Ein halbes Jahr, nachdem ein Film im Kino gelaufen ist, kommt er in die Videotheken. Wenn man nicht solange warten kann, weil der Film ein kürzeres Verfalldatum hat, dann war er es nicht wert, angeschaut zu werden. Kinos sollten in Supermärkte umgewandelt werden oder in Videotheken. Peggy Hayes
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