: Alttestamentarisches Chartsstürmer-Kollektiv
■ Große Visionen, gelungener Soul-Pop: Die Söhne Mannheims auf „Zion“-Tour im Stadtpark
Vor beinahe sechs Jahren, im Winter 1995, besuchte ein damals wenig bekannter Soul-Crooner namens Xaviour Naidoo eine Aufführung des Musicals Human Pacific, das die alttestamentarische Geschichte des jüdischen Volkes und vom Untergang Babylons erzählt. Held der Geschichte ist Dany, der sich im stetigem Kampf für Fieden und Freiheit für sein Volk, den mächtigen Widersachern selbstlos entgegensetzt. Lange Zeit beschäftigte Naidoo sich fortan mit Zion, dem heiligen Berg, und den Prophezeihungen des alten Testaments. Schon einige Jahre zuvor war ihm klar geworden, dass der Königsstuhl bei Heidelberg eben jener Berg Zion und Mannheim das neue Jerusalem sein müsse – die sternförmige Planstadt aus 144 Quadraten, bewohnt von 144.000 Auserwählten.
Gestärkt durch seinen Glauben und dessen unbedingte Wahrheit, begann Naidoo von seiner Erkenntnis zu erzählen und erntete meist Ungläubigkeit. Doch sechs junge Mitmannheimer hörten ihm schließlich, aus den unterschiedlichsten Gründen, unbefangen zu. Nun musste Naidoo beweisen. Alles, was er in Erfahrung bringen konnte über seine auserwählte Stadt, erzählte er ihnen. Nach Monaten des Disputs, des Grübelns und Abwägens waren auch sie überzeugt und schließlich schlossen sich Naidoo, Wittemann, Eisenmann, Davis, Herberger, Landeck und Fouquet zu der Urforma-tion der Söhne Mannheims zusammen.
So gründete sich diese kleine Glaubensgemeinschaft in der Hoffnung, ihrer Stadt die Kraft zugute kommen zu lassen, die sie ja erst durch jene überhaubt erfahren hatten. „Ich werde dafür sorgen,“ verhieß Naidoo vor wenigen Monaten, „dass in Mannheim spätestens in fünf Jahren kein rotzverschmiertes Kind mehr am Straßenrand steht und sagt: Guck' mal, der isst ein Eis, und ich stehe hier in meiner kaputten Hose. Wenn ich möchte, dass alle im Wohlstand leben, muss ich erstmal vor der eigenen Türe kehren.“ Um dies zu verwirklichen, wurde bereits der „Söhne Mannheims e.V.“ gegründet.
Der viel versprechenden Gründungsgeschichte der Söhne Mannheims folgte profaner Popalltag, den vor allem Xaviour Naidoo mitgestalten half: Nachdem er sich mit seinem ehemaligen Freund und Produzenten Moses Pelham verkrachte, gründete er daraufhin das Label Söhne Mannheims. Selbige landeten mit „Geh davon aus“ einen Song auf Platz drei der Single-Charts und lieferten mit Zion eine erfolgreiche Debütplatte. Dazwischen bekam Naidoo vor allem durch seine Haschisch-Eskapaden ausreichend Pressepräsenz. Der Sound der Söhne, die gelungene Mischung aus HipHop und Soul, überlagert von romantischen oder religiös kämpferischen Texten, hat sich zunächst sicherlich einen fes-ten Platz am deutschen Pophorizont gesichert. Vor allem das harmonische Zusammenspiel der 17-köpfigen Band bei der Liveperformance vermag eingehend zu beeindrucken.
Trotzdem bleibt da diese riesige Vision, die sich fast überdimensional hinter dem eigentlichen Wirken der Band auftürmt. Zu gewaltig scheint der Anspruch fürs allgemeine Popgeschäft, zu banal und vage auch manche Methode, um die Überzeugung zu vermitteln. Die Tatsache aber, dass Die Söhne Mannheims erfolgreich sind, ohne ihre Vision in ihrer Ganzheit, und nur so scheint sie überhaupt verständlich, an Fans und Kritiker weitergeleitet zu haben, lässt eine Frage unbeantwortet: Was eigentlich sollte mit ihrem Publikmachen erreicht werden? Manuel Weber
mit Seeed: Sonnabend, 19 Uhr, Freilichtbühne Stadtpark
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