piwik no script img

Almuth Müller Der WochenendkrimiEher bei den Toten als bei den Lebendigen zu Haus

Sollte der sonntägliche Krimiadrenalinspiegel durch das Wahlkampftriell bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht befriedigt worden sein, lohnt es sich heute ausnahmsweise doch, ein bisschen länger wach zu bleiben. Im ZDF läuft nämlich die düstere britische Krimiserie „Luther“, die Gott sei Dank so gar nichts mit dem antisemitischen deutschen Reformator zu tun hat.

In dieser Folge begleiten wir DCI John Luther (mitreißend-energetisch verkörpert von ­Idris Elba) bei seinen, nicht immer mit lauteren Methoden geführten, Ermittlungen zu mehreren brutalen Femiziden. Selbst nicht ganz auf der Höhe, da frisch von seiner Frau getrennt und mit einem Disziplinarverfahren behaftet, versucht Luther sich von einer nicht minder gefährlichen, aber auch interessanten Frau fernzuhalten.

Alice Morgan (Ruth Wilson), eine Narzisstin, die zu Beginn der Serie zu seiner zwar mörderischen, aber auch zugewandten Gegen- und Mitspielerin avanciert. Die beiden befinden sich in einem wunderlichen Abhängigkeitsverhältnis – die Frau, die außer dem Bedürfnis nach Anerkennung keine Gefühlsregungen kennt, und der obsessive und getriebene Detective, dessen Welt eher bei den Toten als bei den Lebendigen liegt. Getoppt werden diese Verhaltensmuster jedoch von Serienmörder Graham Shand, einem halbalten Mann, der von seiner Frau betrogen wird und obendrein noch seinen Job verloren hat.

Ein logischer Ausweg aus dieser misslichen Lage ist für ihn, ein paar Frauen umzubringen. Und da sich Grahams Wutrausch immens steigert, geschehen diese perfiden Morde in immer kürzeren Abständen. Da London großflächig videoüberwacht wird, kann die Polizei bei ihren Ermittlungen auf Aufnahmen aus den fraglichen Mordnächten zurückgreifen und Graham recht schnell als Verdächtigen feststellen. Das Finale fällt erwartungsgemäß blutig und mit ein bisschen unerwarteter Selbstjustiz aus.

Diese Folge ist leider nicht die stärkste dieser sonst großartigen Serie, die es sich schon allein wegen Idris Elba und Ruth Wilson zu schauen lohnt. (Elba wäre doch wirklich ein würdiger James-Bond-Nachfolger!) Wie schon in dem mit „Paradise Circus“ von Massive Attack wunderbar melancholisch unterlegten Intro angedeutet wird, sind die hier von London gezeichneten Abgründe tief und die Menschen, wohin man auch blickt, sehr kaputt. Ob sich das ändern wird, lässt sich in inzwischen insgesamt fünf Staffeln herausfinden.

„Luther“, in der Nacht zum ­Montag um 0.50 Uhr im ZDF oder alle Folgen bei Netflix

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen