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■ Alles, was ein Auto brauchtHufeisen und Weihwasser

Düsseldorf (taz) – Alle Jahre wieder, wenn die Sommerferienzeit ausbricht und das Hauptreisegemetzel auf den Autobahnen, findet sie statt, die „Segnung der Verkehrsteilnehmer und ihrer Fahrzeuge“. In Düsseldorf reicht dieser schöne katholische Brauch bis ins Jahr des Heils 1935 zurück, als die ersten Kraft-durch-Freude-Wagen Weihwasser erheischten, und abgesehen von einer kriegsbedingten Unterbrechung, wo die Segnung von Kanonen Priorität hatte, war er bis heute nicht totzukriegen, im Gegensatz zu einer satten halben Million von VerkehrsteilnehmerInnen selber.

Letzten Sonntag war es wieder so weit in der Stoffeler Kapelle, die vom gleichnamigen Friedhof sinnigerweise durch eine stark befahrene Schnellstraße getrennt ist. „Zu dir schick ich mein Gebet, das um deine Hilfe fleht, heiliger Christopherus“, schallt der Gesang. Das Gottesgehäus ist voll besetzt, die Messe hat begonnen. Draußen sammelt sich eine zusätzliche Schar armer Verkehrssünder und lauscht dem Lautsprecher ab, was der Verkehrslärm übrigläßt.

„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht töten können“, lautet die etwas makabre Botschaft aus Matthäus 10, die der Priester verkündet. Vorwärts also mit Gottvertrauen, den Rasern, Geisterfahrern und umstürzenden Anhängern entgegen. Es liegt ohnehin alles in Gottes Hand: „Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Dennoch fällt deren keiner auf die Erde ohne euren Vater.“ Wie beruhigend. „Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt.“ Im Klartext: Gott hat die Unfallstatistik von morgen eh schon in der Tasche.

Nachdem solches grundsätzlich geklärt und besungen ist, redet der zweite diensthabende Geistliche, ein jovialer Segelohrenbesitzer, der Gemeinde dann doch noch ein wenig ins Gewissen. Er rügt die verderbliche Eile, die die Zeitgenossen antreibt, und empfiehlt eine erquickende Einkehr in die Autobahnkapellen von Breitscheid, Nievenheim und anderswo.

Während drin mit der Hostienausgabe die Messe ihrer Vollendung entgegengeht, wartet draußen ein wachsender Autokonvoi auf den handfesten Teil der heutigen Übung. Die Insassen vertreiben sich die Zeit plaudernd, radiohörend oder indem sie ihren Zierleisten letzten Glanz geben. Den Spitzenplatz hält seit dem Morgen ein Toyota VX Turbo Land Cruiser. An seinem Heck protzt ein Reserverad, dessen Hülle das überlebensgroße bunte Portrait eines Boxerhundes ziert, am Bug ist eines jener Hufeisen angebracht, die hier überhaupt zahlreich vertreten sind.

Endlich springen die ersten Motoren an. Der Priester und seine Gehülfen haben am Straßenrand Stellung bezogen. Der behufte Rover ist der erste Glückliche, der den dreifach geschleuderten Weihwassersegen aus dem kleinen Gerät empfängt, das irgendwie an einen Portionierlöffel für Speiseeis erinnert. Dann geht es Schlag auf Schlag. Ob Ford Orion, Suzuki Swift, BMW 318, Opel Senator, Mercedes 320 E oder was immer, ein jeder kriegt was auf die Haube. Gegen einen Obolus, versteht sich, der aus dem Wagenfenster ins Körbchen des Meßdieners wandert. Vereinzelt wagen sich auch Radfahrer in die Prozession.

Dank der Polizei gestaltet sich das Defilee des blitzblanken Blechs schön zügig, so daß die Segnungsfrequenz schließlich zehn Wagen pro Minute erreicht. Mehrfach muß der Löffel nachgefüllt werden, und immer schwerer trägt der Jüngling an den milden Gaben. Bis nach einer halben Stunde die Zufuhr spärlicher wird und endlich ganz versiegt – Zeit für die Diener Gottes, nun selber nach Hause zu brausen. Olaf Cless

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