: Alles aus Daffke!
DAS SCHLAGLOCH von VIOLA ROGGENKAMP
Es ist wie im Kriege: wer die Butter hat, wird frech. Kurt Tucholsky
Was denn? Was denn? Schon vorbei? Wie geht’s denn nun weiter nach dem Krieg? Kommt der wirtschaftliche Aufschwung? Auch für Deutschland? Dafür war der Krieg ja zu kurz, viel zu kurz. Vorne kapitulierten die irakischen Armeen, von hinten fielen sie als Partisanen den US-Soldaten in die Gulaschkanonen. Das war sehr vernünftig. Sterben für Saddam Hussein? Unsinn! Kapitulieren ist viel besser. Das ist keine Schande. Im Gegenteil. Das war menschlich klug. Warum wird das nirgendwo ausdrücklich lobend hervorgehoben?
Gewiss, man freut sich in Deutschland mit den Menschen im Irak, besonders mit denen, die grimmig in die Fernsehkameras gucken und Ami go home! rufen. Kennt man hier alles. Was bringen einem die Amis? Die Freiheit, Coca-Cola zu trinken. Und was lassen sie zurück? Frauen, die sich die Lippen anmalen und rauchen. Prostitution und Jugendkriminalität. Das hat es früher nicht gegeben. Doch? Aber nicht in der Gegend dort, Irak, Afghanistan. Da konnte eine Frau noch im Dunkeln ganz allein auf die Straße gehen. Wenn sie durfte. Und heute die offene Gewalt entwurzelter Jungmännerbanden. Alles fromme Länder eigentlich. Der Mann hat das Sagen, die Frau ist die Mutter seiner Söhne. Vielleicht zu vieler Söhne. Nun droht dem allen die Demokratie. Wie geht es weiter? Die Paläste sind zerstört, die Wirtschaft liegt am Boden, heruntergekommen war das Land schon vorher dank seines Diktators. Jetzt kommt der Wiederaufbau. Da hat Deutschland Erfahrung. Seite an Seite mit Amerika. Das ging damals doch so großartig. Das macht der Amerikaner jetzt falsch, dass er die Deutschen von der Tischkante stößt.
Polen! Also, bitte, wer kommt denn schon auf Polen? Die Polen wohnen im europäischen Haus im Souterrain, sehr schön ausgebaut mit Blick auf die Stufen nach oben. Die haben den Amerikanern die Geschichte vom armen, geschundenen Polen im alten Europa ganz falsch erzählt. Was hatte Polen für eine große Bedeutung. Alle haben sich um Polen gerissen. Die Russen, die Österreicher, die Preußen, sogar die Franzosen unter Napoleon, und welche wichtige Aufgabe hatte Polen erst im Dritten Reich. Der Ascheimer Deutschlands. Die Entsorgung. Und jetzt machen die Amerikaner die Polen zum Führer. Das machen die nur aus Daffke.
Polen soll einen Sektor führen. Amerika und Großbritannien teilen den Irak in drei Sektoren auf, einer davon wird Polen unterstellt. Die Regierung in Warschau will 2.000 Soldaten schicken. Polen, das wissen vielleicht nicht alle, baute im Zweiten Weltkrieg eine Exilarmee in England auf und kämpfte Seite an Seite mit den Briten gegen Deutschland. Da gibt es also eine gemeinsame Erfahrung. Und nun sollen die Polen, die ja auch ein bisschen antisemitisch sind, wie alle wissen, im Irak bei den Muslimen Ordnung halten.
Das machen die Amerikaner aus Daffke, alles aus Daffke, wie die Berliner sagen. Kommt aus dem Hebräischen und Jiddischen. Was das auf Hochdeutsch heißt? Na, eben Daffke. Daffke die Polen. Ausgerechnet. Polnische Wirtschaft. Nur um Deutschland zu ärgern. Und die deutsche Wirtschaft? Ausgerechnet jetzt, wo alle mit jedem Cent rechnen müssen, erwägen die USA, ihre Truppen aus Deutschland abzuziehen, um sie in osteuropäische Länder zu verlegen. Natürlich aus Daffke. Das ist bares Geld, was da abgezogen wird. Die amerikanischen Soldaten und ihr Konsum, ihre Frauen und Kinder und ihr Konsum. Das sind menschliche Beziehungen, über Jahrzehnte gewachsen. Fort und vorbei auf der Roadmap des Friedens. Amerikanisches Tempo. Atemberaubend.
Und schon ist der US-Außenminister weitergereist und rollt den Nahen Osten auf. Was da alles unterm Teppich liegt. Das hatte man vorher gar nicht so gesehen und schon gar nicht so gesagt, weder in der deutschen noch in der französischen Presse. Beispielsweise: dass militante Palästinensergruppen terroristische Organisationen sind. Jedenfalls sind sie es für Amerika. Dass die schiitische Hisbollahmiliz eine Bedrohung vor allem für den israelischen Staat ist und weg muss? Stimmt ja, ist ja richtig. Aber ausdrücklich gesagt hat das offiziell in Deutschland doch bislang niemand, und nun, am vergangenen Sonntag, sogar in den Nachrichten vom Deutschlandfunk. Zwar noch in indirekter Rede. Man zitierte US-Außenminister Powell. Es klang ungewohnt aus deutschem Mund, aber schon recht flüssig.
Die USA fordern den Libanon auf, im Grenzgebiet zu Israel reguläre libanesische Truppen aufzustellen und dafür zu sorgen, dass sich die schiitische Hisbollahmiliz zurückzieht. Die Hisbollah werde sich nicht zurückziehen, teilte die Hisbollah der libanesischen Regierung mit und die wiederum teilte es den Amerikanern mit. Jetzt endlich werden die Kräfteverhältnisse in der Arabischen Liga deutlich. Wer regiert wen? Wer bestimmt? Wer zahlt und wer kuscht? Arabische Regierungen, die mit islamistischen terroristischen Organisationen zusammenarbeiten, können vielleicht nicht anders, sie müssen, sie werden erpresst. Man kennt diese Strukturen aus dem Rotlichtmilieu: Schlägertrupps schützen gegen Geld das Lokal vor Schlägertrupps. Die Hisbollahtrupps werden von Syrien und dem Iran bezahlt, dafür sind die Jungmännerbanden in den Libanon gezogen, lassen den aber in Ruhe und attackieren Israel. Und wenn Israel denen auch Geld geben würde? Zögen die dann weiter? Vielleicht nach Europa? Nein, nein. Geld von Juden werden die nicht nehmen.
Amerika jedenfalls will nicht zahlen. Präsident Bush schließt Präventivschläge, um einer möglichen Bedrohung der USA zuvorzukommen, für die Zukunft nicht aus. Das sagte er jetzt wieder, nachdem Syriens Präsident Assad versprochen hatte, Büros islamistischer Gruppen in seinem Land zu schließen. Das war Bush zu wenig. Ist ja auch nicht viel. Mehr wird der Mann im Augenblick nicht riskieren können. Tut Assad, was die Amerikaner von ihm verlangen, wird er für Hisbollah, Dschihad und wie die islamistischen Terroristen alle heißen, zum „Judenknecht“.
Islamistische Terroristen machen keinen Unterschied zwischen Juden und der verhassten Moderne. Amerika hat das begriffen. Europa noch nicht. Sicherheitsfragen, die Israel betreffen, betreffen auch die westliche Welt. Was in Israel passiert, könnte morgen in Deutschland geschehen. Palästinensische Selbstmordattentäter jagen die Friesenstuben in die Luft.
Darum muss Deutschland mitfahren auf der Straße des Friedens. Nicht am Rand stehen bleiben. Überholen, überholen. Wohin? Nach Israel? Werden die USA deutsche UN-Soldaten zwischen Israel und dem zu gründenden palästinensischen Staat stationieren? Die Palästinenser werden sich freuen. Aber werden die Juden beim Anblick eines deutschen Soldaten nicht in ihr Trauma stürzen? Schon möglich. Wo hinein aber stürzt ein deutscher Soldat beim Anblick eines Juden? Und erst beim Anblick eines jüdischen Soldaten? Oder einer jüdischen Soldatin? Die Amerikaner kennen sich aus in der Geschichte des alten Europas. Alles aus Daffke.