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Alle zuständig –betr.: „Kein Sonderweg als Sackgasse“, taz hamburg vom 18.3.99

Die Stillegung von Stade ist nicht erst durch die aktuellen Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers in die „Sackgasse“ geraten, sondern hier wird das ganze Drama der SPD-“Ausstiegspolitik“ offenbar. Nehmen wir nur Brunsbüttel und Stade und erinnern uns: Vor nicht allzu langer Zeit hat der schleswig-holsteinische Energieminister Möller, zuständig für Brunsbüttel, öffentlich eine Stillegung bis 2002/3 angekündigt. Wenig später hat der Hamburger Bürgermeister, als HEW-Aufsichtsratsvorsitzender auch zuständig, Brunsbüttel von der Hamburger Tagesordnung genommen und Stade ins Spiel gebracht, da dieser Uralt-Reaktor sowieso per Konsens als eine der ersten Anlagen stillgelegt werden würde. Hamburger Beitrag light.

Wirtschaftsminister Müller verkündet am Montag dieser Woche in seiner Zuständigkeit als Ex-Betreiber und Konsensgesprächler, es werde wohl noch 13 Jahre dauern, bis Stade abgeschaltet wird. Postwendend erklärt daraufhin der natürlich auch für Stade irgendwie zuständige niedersächsische Umweltminister Jüttner, das ginge ihm so nicht schnell genug. Und über allen thront der mega-zuständige Bundeskanzler und läßt sich von den Energieversorgern vorführen wie ein dummer Schuljunge, verzichtet aber nicht darauf, vor den versammelten Betriebsräten der Atomkraftwerke die Stillegung sämtlicher Ausstiegsaktivisten anzukündigen. Damit kann er nur seinen Umweltminister meinen, und bei dem sind sich dann auch alle Sozialdemokraten sehr schnell einig: Jürgen Trittin ist schuld an dem ganzen Durcheinander. Der hat nämlich skandalöserweise einfach nur seine Arbeit gemacht, so, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist.

Und das paßt offensichtlich nicht ins politische Konzept: Noch mehr Zuständige kann die SPD beim besten Willen nicht mehr verkraften.

Carsten Kuhlmann, Vorsitzen-der von NORDSOLAR e.V. und Sprecher der Landesarbeits-gemeinschaft Energie der GAL

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