Aids-Betroffenenversammlung: Lohnt das Leben?
■ Bremer Aids-Kongreß eröffnet
Viele HIV-Infizierte und Aidskranke leben in „sehr elenden“finanziellen Verhältnissen. Das Thema „Aids und Armut“gehört deshalb zu den Schwerpunkten der in Bremen eröffneten „8. Bundesversammlung der Menschen mit HIV und Aids“, sagte der Leiter des HIV-Referats in der Deutschen Aids-Hilfe, Uli Meurer.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden neue Kombinationstherapien unter dem Leitthema „Wird Aids normal“. Gerade diese Behandlungsmethode mit dem Einsatz verschiedener Medikamente hat zu Erfolgen geführt, auch wenn nach der ersten Euphorie eine gewisse Ernüchterung eingetreten sei.
HIV-Infizierte haben mit diesen Therapien „heute in der Regel eine höhere Lebenserwartung als noch vor einigen Jahren“, sagte Bremens Gesundheitssenatorin Christine Wischer (SPD). Damit entwickele sich Aids von einer tödlichen akuten Bedrohung zu einer schweren chronischen Erkrankung, „an deren Ende aber noch immer der Tod steht“. Die Vermeidung von Neuinfektionen müsse „nach wie vor oberstes Ziel“im Kampf gegen Aids sein.
Viele Betroffene sind nach Angaben Meurers über den medizinischen Fortschritt der Kombinationstherapie erstaunt, teilweise sogar entsetzt. Insbesondere junge Menschen hätten sich psychisch mit der tödlichen Diagnose abgefunden, Ausbildung oder Studium abgebrochen, sich verrenten lassen. „Jetzt müssen sie lernen, mit einer längeren Lebensperspektive zu leben.“Viele Aidskranke lehnten deshalb Therapien ab. Hinzu komme neben der finanziellen auch die kulturelle und sexuelle Armut. So fragten sich die Patienten oft: „Lohnt sich ein Weiterleben eigentlich?“
Die Kombinationstherapie ist für Meurer trotz der Probleme „ein großer Schritt auf dem Weg zur Lösung“. Die Behandlung fordere allerdings ein strenges Therapieregime. „Bis zu 72 Tabletten muß der Patient je nach Kombination täglich zu ganz bestimmten Zeiten schlucken.“Doch auch diese Therapie, die pro Patient im Monat bis zu 10.000 Mark koste, sei irgendwann „ausgereizt“, betonte Meurer. Das Problem seien die Resistenzen der Viren.
Mit Blick auf Aussagen des Bundesgesundheits- Ministeriums zu einem umstrittenen Aids-Heimtest erklärte Meurer, er sei froh, daß dieser Test nicht zugelassen werde. „Der Aids-Test muß in ärztlicher Hand belassen werden. Es handelt sich nach wie vor um eine unheilbare Krankheit, an der die Betroffenen früher oder später sterben.“Der von einem kanadischen Biotech-Unternehmen hergestellte Heimtest sollte nach dem Willen der Vertriebsfirma vom 1. September an rezeptfrei in Apotheken erhältlich sein. dpa
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