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Archiv-Artikel

Agenda 2010 Kulturhauptstadt von Unten

In the Land of Mordor

where the Shadows lie.

Die Landeshauptstadt Düsseldorf ist nicht das dunkle Mordor und das Ruhrgebiet kein blühendes Auenland. Dennoch benehmen sich die Protagonisten der Europäischen Kulturhauptstadt 2010, als müssten sie den gerade errungenen Ring der Ringe schnell wieder vernichten. Wie bei John Ronald Tolkien geht es nämlich um Macht. Um die Herrschaft darüber, wer in den nächsten vier Jahren über die „richtige“ Kultur im Ruhrgebiet wacht, wer seine eigenen Vasallen damit finanziell über Wasser hält und wer sich dann ein Jahr lang im güldenen Licht sonnen darf. Es ist auch Streit, ob diese Region ohne Selbstbewusstsein sich endlich einmal selbst darstellen darf oder wieder ein Eventprogramm übergestülpt bekommt.

Momentan liegt deshalb ein Schatten auf der Region. Ein dunkler Schatten, der alles blockiert. Und die Zeit verrinnt durchs Stundenglas. Auf der einen Seite steht die Landesregierung, die sich mit dem reichen Elbenfürsten Peter Sellars und seinen Anhängseln schmücken will. Auf der anderen Seite steht das arme Heer der Ruhrgebiets. Verwahrlost, ungewappnet. Eine freie Künstler-Schar, die wie Gollum auf Schatzsuche ist. 48 Millionen Euro Fördergelder machen die Münder wässrig und den Konkurrenzkampf erbarmungslos. Denn im Fahrwasser des Essener Kulturdezernenten Oliver Scheytt und seinen Moderatoren – die haben, zugegeben, in überzeugender Weise den Ring ins vermeintliche Auenland geholt – segeln bereits diverse Kulissenschieber auf dem großen Strom ins Euro-Nebelgebirge. Schwarze Reiter decken die Ufer rechts und links. Und so bleiben die vielen Kulturschaffenden der Region bisher unentdeckt, weil sie sich in den bürokratischen Projektantrags-Büschen versteckt halten und ihre Ideen wegen des Machtkampfs momentan nicht einmal ausgewertet werden können.

Kein Wunder, dass die Freie Szene im Ruhrgebiet langsam skeptisch wird und vermutet, dass sie bereits an einer Kanalkreuzung falsch abgebogen ist. Oliver Scheytt hat nämlich noch Sorgen und wahrscheinlich auch Pläne. Viele Projekte werden hinter den Kulissen bereits vorangetrieben. Das fliegende Rathaus, das Pioneer Valley oder das unsägliche Folkwang-Atoll. Die Gegner einer Fremd-Intendanz für 2010 haben für die Zweite Stadt unter dem Weltkulturerbe Zollverein auch schon eine amerikanische Größe im Visier: Neon-Laufband-Artistin Jenny Holzer. Sicher gesetzt dürfte das Melez-Migranten-Festival sein. Hier existiert bereits ein Programm bis 2011 und das ist auch gut so, denn ein positiver Effekt dürfte nicht mit 2010 beendet sein.

Die freie Szene muss sich nun bewegen und in Gefahr begeben. Handeln wie Frodo und seine Gefährten. Selbst wenn man lieber im Auenland überwintern will. Auch bei der Internationalen Bauausstellung (IBA) gab es eine Gegenbewegung von unten. Druck auf die Mächtigen wird nur erzeugt, wenn die Öffentlichkeit ihn wahrnimmt.

PETER ORTMANN