Agenda 2010 : Über die Dörfer
One night in Bangkok
and the tough guys tumble
Can‘t be too careful
with your company
I can feel the devil
walking next to me.
Das graue Ruhrgebiet ist natürlich nicht das bunte thailändische Dorf im Pflaumenhain. Auch wenn die metropolen Einwohnerzahlen sich ähneln und asiatisches Fingerfood hier auf dem Vormarsch ist. In einer polyzentrischen Region aus Dörfern, wo Häuser plötzlich in Löchern verschwinden können, mögen es die Menschen nicht wibbelig, sondern bodenständig. Das halten sie auch so mit den künstlerischen Produkten, die sie konsumieren. Keine Experimente! Schnell jagte man den toughen Castorf vom grünen Hügel, ebnete die Qualität aller kommunalen Theater ein, schaut sich mit dem Filius überall Lessings Emilia an. Schließlich ist das Zentral-Abitur wichtig. Bürgertum ist eine willkommene Identität – und dann das: Die Region wird 2010 Kulturhauptstadt Europas. Der kulturelle Teufel will also geritten werden. Ein Dilemma?
One night in Bochum. Haus der Geschichte des Ruhrgebiets. Dort schaufelte die Ruhr-Universität erst einmal die Fundamente des europäischen Kulturhauptstadt-Gedankens frei. Bildung tut not, Wissenschaft erklärt Kultur. Das ist selten, also ist der Saal proppenvoll und Sauerstoff Mangelware. Die tough guys der neuen RuhrKultur sind erst gar nicht erschienen. Denn was sie hätten hören können, hätte ihnen nicht gefallen. „Ruhrkultur ist provinziell“ sagt Professor Jörn Rüsen vom kulturwissenschaftlichen Institut in Essen. „Die Universitäten sind die eigentlichen Speerspitzen der Kultur“, sagt Professor Elmar Weller, Rektor der RUB. Und es wird noch toller. Es gäbe von Interessen geleitetes Engagement an der Kulturhauptstadt und das verlange nach inszenierten Events und die lehnen die Wissenschaftler kategorisch ab. „Wir sollten es uns mit uns selbst nicht zu leicht machen“, sagt Rüsen. Wer hätte das gedacht? Es gibt Kaltgetränke und die Marketingabteilung der neuen RuhrKultur GmbH dankt artig, überbringt Grüße der tough guys. Kultur und Ruhr? Irgendwie habe ich das Gefühl, ein Teufel wandert neben mir durch den Raum und lacht sich schlapp.
PETER ORTMANN