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Afrikanischer Superstar Waris Dirie"Brutalste Form der Unterdrückung"

Waris Dirie floh von Afrika nach Europa, weil sie zwangsverheiratet werden sollte. Sie wurde als Model berühmt und engagiert sich gegen Genitalverstümmelung. Jetzt hat sie ihr viertes Buch gescherieben.

"Irgendwo in ihrem Inneren wissen die Männer, wie stark wir Frauen in Wirklichkeit sind!" Bild: dpa
Interview von Ariane Lemme

Frau Dirie, mit 13 Jahren sind Sie aus Ihrer Heimat Somalia geflohen. Seitdem leben Sie in Europa, zuletzt in Wien, sind österreichische Staatsbürgerin. Warum haben Sie sich nun entschlossen, nach Afrika zurück zu gehen und dort eine Farm aufzubauen?

Das war ein Prozess und geschah im Zuge meines Kampfes gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Darüber zu sprechen und ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit dafür zu schaffen, ist enorm wichtig - aber eben nicht genug. Ich muss dieses komplexe Problem an seinen Wurzeln packen, und das bedeutet eben auch, nach Afrika zurück zu kehren und den Frauen dort zu helfen.

Wohin genau werden Sie ziehen und wie sieht Ihre Hilfe dort aus?

Ich werde auf jeden Fall nach Ostafrika ziehen und habe mir bereits Häuser in Äthiopien und Tansania angesehen. Es sollte ein Ort sein, der trotz der Nähe zu meiner Heimat Somalia sicher genug ist, um meine Familie dort unterzubringen. Ich liebe die Natur und lebe auch jetzt außerhalb von Danzig im Grünen. Mein Traumanwesen wäre eine Lodge mit angrenzender landwirtschaftlicher Fläche, die man auch bewirtschaften kann. Mit meinem neuen Projekt, dem African Fund ich will Einheimische dort, vor allem Frauen, dabei unterstützen, eigene Firmen zu gründen.

Waris Dirie

wird 1965 als Tochter von Nomaden in der somalischen Wüste geboren. Mit 13 Jahren soll sie zwangsverheiratet werden und flieht nach Europa. Von London aus macht sie dort Karriere als Model und kämpft seit mittlerweile über zwölf Jahren gegen die Beschneidung von Mädchen (Female Genital Mutilation). Waris Dirie wurde selbst im Alter von 5 Jahren beschnitten, im Gegensatz zu zwei ihrer Schwestern überlebte sie die Prozedur. Ihre Erfahrung und ihren Kampf gegen FGM beschreibt sie in ihrem ersten Buch "Wüstenblume" (1998). Mit "Schwarze Frau, weißes Land" hat sie nun ihr viertes Buch veröffentlicht. Wieder geht es um ihren Kampf gegen FGM, diesmal aber wird die Beschneidung als Folge und vor dem Hintergrund von politischen und ökonomischen Problemen in den betroffenen afrikanischen Ländern behandelt. Das Buch ist seit dem 5. Mai im Handel.

In Ihrem neuen Buch, "Black women, white country" schreiben Sie, dass Sie hier in einer Gesellschaft leben, die Sie nicht verstehen. Warum ist es so schwer für uns alle, sich in einer fremden Gesellschaft zurechtzufinden?

Weil wir uns eben auf die Gesellschaften konzentrieren, und nicht auf die Individuen. Auf der Ebene des Individuums sind wir alle gleich. Aber wir wachsen in unterschiedlichen Umgebungen auf, leben unter verschiedenen Bedingungen und folgen verschiedenen sozialen Regeln, die für Außenstehende oft schwer zu verstehen sind. Wir sollten uns mehr auf das konzentrieren, was wir als Menschen gemeinsam haben anstatt auf das, was uns als Gruppen oder Gesellschaften trennt.

Eines Ihrer Ziele ist es, die afrikanischen Gesellschaften zu verändern. Das klingt nach einer Aufgabe, für die es mehr als einen Menschen braucht...

Natürlich kann ich das nicht alleine. Aber ich hoffe, mit meinen Projekten anderen ein Beispiel zu geben und zu zeigen, dass man eine Menge erreichen kann und zwar mit weitaus weniger Geld, als derzeit in Afrika für solche Projekte sonst verwendet wird. Soziale Veränderungen bewirkt man nur durch Handeln, nicht alleine durch Reden. Also mache ich den Anfang und hoffe, dass andere mitziehen.

Entwicklungsgelder aus Europa werden mittlerweile von vielen nicht mehr als Lösung, sondern als Teil des Problems angesehen. Auch Sie sagen, dass Afrika sich selbst helfen müsse. Dennoch gibt es globale politische und ökonomische Machtstrukturen, die Afrika alleine nicht durchbrechen wird. Was müssen die westlichen Industrienationen also tun, um Afrika wirklich zu helfen?

Manche Dinge kann niemand von uns ändern, aber als Afrikanerin muss ich mich auf die Dinge konzentrieren, die in Afrika falsch laufen. Afrika ist ja nicht nur Opfer, und es sollte auch nicht als solches agieren. Es muss sich seinen Problemen stellen, der Korruption zum Beispiel. Das Beste, was die westlichen Länder dabei tun können ist, nicht länger korrupte und illegitime Regierungen zu finanzieren.

Glauben Sie denn wirklich, dass die EU jemals ihre Importbeschränkungen aufgeben wird?

Da hat sich bereits manches verändert. Immerhin kann nun bereits gerösteter Kaffee aus Äthiopien importiert werden ohne lächerlich hohe Steuern bezahlen zu müssen, was jahrzehntelang unmöglich war. Aber natürlich entstehen in Afrika nach Jahren des Protektionismus nun nicht über Nacht Firmen, die Kaffee oder andere Naturprodukte weiterverarbeiten könnten. Ich möchte Firmen dabei unterstützen, Rohstoffe in Afrika weiterzuverarbeiten und dadurch Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen, mehr, als durch den Export von Rohstoffen jemals möglich wäre.

Die Genitalverstümmelung von Frauen, gegen die Sie seit Jahren kämpfen, ist also nur Teil eines größeren, ökonomischen Problems?

Irgendwie wusste ich immer, dass Armut eine große Rolle für die Hartnäckigkeit spielt, mit der Genitalverstümmelung praktiziert wird. Viele Familien haben finanziell keine andere Wahl als sich auf das System der Heirat, oder besser gesagt: den Verkauf ihrer Töchter, zu verlassen. Und das können sie nur, wenn diese Töchter verstümmelt sind. Ich wusste das, suchte aber nach einem Weg, das in Eigeninitiative zu bekämpfen. Und nun habe ich, glaube ic eine gute Idee, wie ich das mache.

Genitalverstümmelung wird aber doch nicht nur in Afrika, sondern weltweit, auch in Europa, praktiziert. Warum wird es in der Öffentlichkeit noch immer als "afrikanisches Problem" betrachtet?

Weil es nirgendwo so verbreitet ist und so konsequent weitergegeben wird. Außerdem ist es immer einfacher, ein Problem zu beschreiben, das weit von der eigenen Haustür entfernt ist. Mit Religion hat die Verstümmelung übrigens nichts zu tun, der einzig wahre Grund und Zweck ist die Unterdrückung von Frauen. Es ist die brutalste Form der Unterdrückung.

Überall auf der Welt versuchen Männer, Frauen auf die verschiedensten Arten zu unterdrücken. Warum, glauben Sie, haben die solche Angst vor Frauen?

Weil sie irgendwo in ihrem Inneren wissen, wie stark wir in Wirklichkeit sind!

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5 Kommentare

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  • M
    Maximilian

    @ Sebastian

     

    Sie irren sich.

     

    Selbst in den USA kommen viele Jungs zu Tode. In Afrika wird es noch schlimmer sein, die Werkzeuge sind die Selben.

     

    Krasser ist aber, dass die Jungenbeschneidung, zumindest in der westlichen Welt, ausschlieslich aus wirtschaftlichen Gründen geschieht, um daraus Anti-Faltencrems für die holde Weiblichkeit herzustellen.

     

    Ausserdem gibt es verschiedene Arten von weiblicher BEschneidung.

     

    Man kann es schon vergleichen: In beiden Fällen schnippelt man an wehrlosen Kindern herum.

     

    Nur komischerweise ist es bei weiblichen Kindern eine Straftat, bei Jungs nicht.

     

    Wieso? Sind Jungs weniger wert?

  • S
    Sebastian

    Es ist mehr als erschreckend, solche Kommentare wie von Dietmar zu lesen.

    Unwisssenheit ist eine sehr negative Eigenschaft, die sich aber sehr leicht beheben lässt.

    Bitte zuerste informieren! Beschneidung zwischen Frauen und Männeren ist absolut nicht vergleichbar.

    Weiß ja nicht in welchem Jahrhundert Sie geboren wurden? Schon mal Berichte gelesen, welche "Werkzeuge" unter welchen "Bedingungen" eingesetzt werden? Lebensgefährlich! Hat sicher nichts mit der Beschneidung von Jungen zu tun.

    Beschneidung von Frauen bzw. Mädchen ist eines der schlimmsten körperlichen und seelischen Verletzungen, die von gewissenlosen "Männern", "Frauen" und "Kulturen" immer noch praktiziert werden. Schreibe hier in Anführungszeichen, das dies mit Normalität nichts zu tun hat!

  • L
    luthien

    Lieber Dietmar,

    Soweit mir bekannt ist, geht die Beschneidung bei Jungen sehr wohl anders vonstatten und hat meist tatsächlich einen religiösen oder hygienischen Hintergrund (In den USA sind die meisten Männer beschnitten). Bei Mädchen werden oft nicht nur die Klitoris, sondern auch sämtliche Schamlippen herausgeschnitten, so daß nur ein kleines Loch bleibt. Diese Frauen können nie wieder Lust empfinden. Nur der Ehemann darf sich dann in der Hochzeitsnacht mit dem Messer "Eintritt verschaffen".Ich hoffe, irgendwann werden alle Frauen "typische Feministinnen"sein. Stolze-und nicht arme-Frauen.Und ich hoffe, irgendwann wird kein Mann mehr Angst haben vor einer starken Frau.Seit vielen Jahrtausenden tun Männer Frauen Schreckliches an, um ihre eigene Macht zu demonstrieren.

  • C
    Carly

    Ach Dietmar. Schon mal eine weibliche Beschneidung gesehen?

    Stelle dir vor du müsstest mit dem winzigen Loch Kinder gebären. Deine Menstruation dauert viel länger und, und und. Und alles nur weil Mönner wieder eine bekloppte Vorstellung von Sexualität und Moral haben.

    Männliche Beschneidung ist auch eine männliche Idee.

    Dürfen Frauen sich nicht wehren? Wo bleiben die Aktivisten auf der Männerseite? Jammern ist ein Männersport, ihr tut nichts und labert.

    Alle Jungen in meiner Familie wurden auch beschnitten und überlebten! Kaum zu glauben, ne!

     

    Außerdem: man schreibt es "tödlich" und nicht tötlich.

     

    Hauptsache Frauen dissen.

  • D
    dietmar

    Waris Dirie ist eine typische Feministin.

    Jungen werden auch beschnitten, ist genauso qualvoll und tötlich.

    Da schreibt und sagt sie nichts.

    Arme Frau.