AfD diskutiert über Parteistiftung: Benannt nach Gustav Stresemann?
Die AfD will im Januar über die Gründung einer Stiftung entscheiden. Der Nationalliberale Gustav Stresemann ist es, dessen Namen sie dafür nutzen will.
Da kann die AfD ja noch etwas lernen. Die Gelegenheit, sich näher mit seinem Stresemann und dessen Demokratieverständnis zu beschäftigen, schafft sich die Parteispitze im Moment jedenfalls selbst. Sie will den übrigen Bundestagsparteien folgen, eine Parteistiftung aufbauen – und diese nach dem Politiker der Weimarer Republik benennen. „Die AfD strebt die Anerkennung einer parteinahen Stiftung an“, sagte Parteichef Alexander Gauland der FAZ. „Ich würde es begrüßen, wenn sie Gustav-Stresemann-Stiftung heißen würde.“ Es ist der Versuch, das eigene Image zu korrigieren: Laut Gauland will man sich mit der Namenswahl in die Tradition von Stresemanns „nationalliberalem Erbe“ stellen.
Aber passen der Staatsmann und die Rechtspopulisten wirklich zusammen? Für die nationalliberale Deutsche Volkspartei saß der frühere Industrielobbyist im Reichstag, war kurzzeitig Kanzler und danach bis zu seinem Tod sechs Jahre lang Außenminister. Seine Politik war ambivalent: Den Versailler Vertrag und dessen Folgen bezeichnete er als „Vergewaltigung deutscher Rechte“, an Polen verlorene Gebiete im Osten wollte er zurückholen. Trotz solcher nationalistischen Töne setzte er aber auch auf Realpolitik, versöhnte Deutschland mit Frankreich und erhielt dafür den Friedensnobelpreis. Posthum gilt er deshalb als Wegbereiter der europäischen Integration. Was zukünftige Stipendiaten einer Gustav-Stresemann-Stiftung davon wohl halten werden?
Kritik an Gaulands Vorschlag
Ausgemachte Sache ist die Stiftungsgründung aber noch gar nicht. Manche in der Partei halten es für Abzocke, die öffentlichen Mittel abzurufen, die der AfD für eine Stiftung zustünden. Andere wollen laut FAZ lieber die Gottfried-Herder-Stiftung (benannt nach dem Schriftsteller) oder die Erasmus-Stiftung (benannt nach dem Renaissance-Gelehrten) näher an die Partei binden.
Fällt die Wahl doch auf Stresemann, muss die AfD mit Widerstand rechnen. Kritik an Gaulands Vorschlag kam am Mittwoch von der Bonner Gustav-Stresemann-Institut, Stresemann-Enkel Walter und FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Dessen Partei könnte von Stresemann übrigens auch noch etwas lernen: Als Kanzler stand der Nationalliberale einer lagerübergreifenden Mehrparteienkoalition vor. In seiner Regierungserklärung 1923 rechtfertigte er das Bündnis mit der schwierigen Lage der jungen Republik. Diese verlange „den Zusammenschluss aller den verfassungsmäßigen Staatsgedanken bejahenden Kräfte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern