Ärztestreik am Ende : KOMMENTAR VON BARBARA DRIBBUSCH
Endlich. Genau drei Monate nach Beginn des Streiks hat sich die Ärztegewerkschaft Marburger Bund mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über einen Tarifvertrag für 22.000 Ärzte an den Unikliniken geeinigt. Weit entfernt ist der Zuwachs von den provokanten 30 Prozent mehr Entgelt, die Marburger-Bund-Chef Montgomery mal gefordert hatte. Die Tarifgemeinschaft der Länder brüstete sich gar damit, der neue Abschluss entspreche der Einigung mit der Gewerkschaft Ver.di. Und die hatte der Marburger Bund kürzlich vehement abgelehnt.
Der Abschluss mag kaum besser sein als die Ver.di-Einigung, aber er hat zur Folge, dass der Marburger Bund das Gesicht wahren kann. Zudem hat sich die Position der Ärzte durch den Arbeitskampf in der öffentlichen Wahrnehmung verändert.
Selten zuvor waren die Arbeitsbedingungen der Klinikmediziner so ausführlich in den Medien dargestellt worden wie während dieses Streiks. Die Ärzte, sonst immer als Privilegierte wahrgenommen, erschienen plötzlich als Opfer, die zwischen öffentlichen Sparzwängen, knappen Kassen und starren Krankenhaushierarchien gefangen waren. Der Marburger Bund, früher als Berufsverband kaum bekannt, wandelte sich in den Medien zur „Ärztegewerkschaft“ und verbuchte zehntausende neue Mitglieder.
Dass es dem Pflegepersonal nicht besser geht, tröstete die Ärzte dabei nicht. Der Arbeitskampf zeigte auch, dass heute jede Berufsgruppe, von den Piloten über Bahnangestellte bis zu den Medizinern, das Recht hat, via Ausstand um ihre Interessen zu kämpfen, ganz gleich, in welcher Klassen- und Kassenlage man sich befindet.
Das solidarische Zusammenstehen der Ärzte hat allerdings einen Nachteil: Wenn nach außen hin Burgmentalität herrscht, geraten andere Konflikte in den Hintergrund. Die Machtfragen innerhalb der Ärztehierarchien in den Krankenhäusern wurden kaum angesprochen. Die teuren strukturellen Überkapazitäten in der medizinischen Versorgung, die Machtposition der Pharmaindustrie – all das geriet aus dem Blickfeld angesichts dieses Arbeitskampfes. Nicht alle Verteilungsfragen lassen sich bestreiken. Und das bleibt das Problem.