Abzug aus Afghanistan: Am Hindukusch werden Koffer gepackt
Die Bundeswehr wird Anfang 2012 das Lager Faisabad räumen – der Abzug beginnt. Doch bis er vollendet ist, vergeht noch reichlich Zeit.
BERLIN taz | Anfang 2011 hatten sie in Faisabad begonnen, alle Möglichkeiten durchzuspielen. Was passieren würde, wenn die Bundeswehr schon Ende dieses Jahres ihr Lager am Fluss Kocha in Nordafghanistan, umringt von einer Gebirgskette, hätten räumen müssen. Es wäre zwar früh, hieß es damals aus der Führungsebene. Aber: "Die afghanischen Sicherheitskräfte würden sich in ihre Rolle reinfinden."
Nein, überraschen kann die Bekanntmachung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wirklich niemanden. 2012 werde man das Bundeswehrlager in der Provinz Badachstan räumen, kündigte er am Dienstag in Berlin im Rahmen einer CDU-Konferenz an. Ein Jahr später als mancher erwartet hatte – auch die Beteiligten vor Ort.
Damit wird klarer, in welchen Etappen sich der Abzug der momentan rund 5.000 in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten vollziehen wird. Denn ebenfalls im November hatte de Maizière bekanntgegeben, dass zunächst die Reserve von 350 Personen gestrichen wird und die 100 Awacs-Soldaten das Land verlassen. Doch ein großer Schritt war das noch nicht.
Die Schließung des Lagers in Faisabad ist das schon eher. Knapp 300 Soldatinnen und Soldaten sind im äußersten Nordosten des Landes stationiert. Sie helfen den afghanischen Partnern bei der Ausbildung eigener Sicherheitskräfte. Das Lager liegt in einem Tal, es kann nur bei gutem Wetter angeflogen werden. Die Lage ist geschützt, und auch die Sicherheitssituation ist vergleichsweise gut: Anders als in der Region um das westlich gelegene Kundus ist Faisabad von größeren Zwischenfällen weitgehend verschont geblieben.
Das mag auch an der Geschichte des Nordostens Afghanistans liegen: Das Gebiet ist die Heimat der Nordallianz, die schon lange vor dem Einmarsch westlicher Kampftruppen Widerstand gegen das Regime der Taliban geleistet hat.
Lage kann sich jederzeit ändern
Dass nun in der Region die weitere Entwicklung ein Selbstläufer wird, heißt das natürlich nicht. Denn die Sicherheitslage kann sich auch in einer derzeit sicheren Region jederzeit ändern. Ängste, dass sich die Situation nach einem Abzug der Bundeswehr verschlechtert, gibt es besonders von den zivilen Aufbauorganisationen vor Ort. Die Sorge: Wenn die Bundeswehr abzieht, füllen aufständische Truppen das Vakuum. Eine Gefahr, die der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour jedoch nicht als gravierend ansieht: "Die Gegend ist nicht anfällig für Taliban."
Eigentlich, sagt Nouripour, hätte der Abzug tatsächlich auch schon in diesem Jahr beginnen können. Denn auch die Polizeiausbildung des Programms Focused District Development (FDD) endet bereits ein Jahr früher. Als dies bekannt wurde, hatten sich viele auch auf das Ende des Bundeswehrlagers eingestellt.
Bis der endgültige Abzug aus Afghanistan vollendet ist, bleiben weitere Schritte. Nach aktueller Lage der Dinge werden Anfang 2013 insgesamt noch immer über 4.000 deutsche Soldaten in Nordafghanistan stationiert sein.
Doch schon Ende 2014 will die Bundesregierung mit den Kampftruppen vollständig den Hindukusch verlassen haben – auch in den bisher noch stärker umkämpften Gebieten.
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