Abteilung List & Tücke: Macchiavellis Spiel
■ Damit Hamburger Fischforscher nicht umziehen, greift Chef in die Trickkiste
Wenn Du nicht willst, dass etwas passiert, fordere einfach lauthals das Gegenteil. Schrei so lang, bis Deine Mitstreiter endlich wach werden und Dich bei Deinem eigentlichen Plan unterstützen. Klingt nach Macchiavelli, ist auch Teil der Listenlehre des italienischen Machtmenschen aus dem 16. Jahrhundert. Nach Macchiavelli scheint dieser Tage auch Hans-Stephan Jenke, der Chef der Hamburger Bundesforschungsanstalt für Fischerei (BFAFi) zu verfahren. Nur: 21. Jahrhundert, Macchiavelli nützt nichts mehr. Jenke findet keine Mitstreiter.
Es geht um den Umzug des Hamburger BFAFi, genauer eines seiner Teile, des Instituts für Fischereiökologie (IFö), nach Bremerhaven. Seit Ex-Landwirtschaftsminister Funke im vergangenen Jahr den Umzug des IFö in die schöne Stadt an der Weser ankündigte, rumort es in Hamburg: Natürlich will niemand aus Blankenese in die Fischstäbchen-City Bremerhaven ziehen.
Jubel in Fischstäbchen-City
Jetzt goss BFAFi-Chef Jenke neues Öl ins Feuer, als in der Presse (taz vom 21.5.) Meldungen auftauchten, nach denen er überlege, nicht nur das IFö mit seinen Außenstellen in Cuxhaven und Ahrensburg (30 Jobs), sondern gleich die ganze Forschungsanstalt (200 Jobs) nach Bremerhaven zu verlegen.
Juchu, jubelten da die Bremerhavener. Auf dem Gelände des Schaufensters Fischereihafen sei nicht nur Platz für das kleine IFö, sondern auch für das große BFAFi. „Wir würden den Umzug des Gesamt-Instituts natürlich begrüßen. Eines muss man ganz klar sehen: Fisch ist Bremerhaven", sagt Rathaus-Sprecher Wilfried Moritz.
Schelme denken Böses
Dumm gelaufen, sagt die neue Bundesagrarministerin Renate Künast (Grüne). „Der Umzug des Ganzen steht doch überhaupt nicht zur Debatte“, betont Sprecherin Ursula Horzetzky. Nur Schelme denken Böses bei Jenkes Spiel. Auch der Anstalts-chef will nämlich nicht nach Bremerhaven. Nur sagt er das nicht so genau. 100 oder 200 Millionen Mark, so Jenke, würde der Neubau der Anstalt in Bremerhaven kosten. „Das ist ja gar nicht möglich.“ Die Verlegung des Gesamt-Instituts sei nur ein „Gedankenspiel“ gewesen. Als Bundesbeamter sei Jenke „vor allem loyal“ gegenüber seiner Berliner Dienstherrin Künast, die über den Umzug zu entscheiden hat. Und noch sei ja nix entschieden. Auch nicht über das IFö.
Macchiavellis Coup
Tatsächlich, so verbreiten anonyme Berliner wie Bremerhavener Quellen, sei alles ein taktischer Coup des obersten Fischforschers, inspiriert von Signore Macchiavelli. Jenkes Ziel: Den Umzug des kleinen IfÖ verhindern. Im Herbst sind nämlich Bürgerschaftswahlen in Hamburg. Jenke wolle „einfach ein paar Wahlkampf-Politiker gewinnen, um den kleinen Umzug zu verhindern“, heißt es. Leider schweigt die Hamburger Politkaste komplett zur IFö-Verlegung. Weil eh alles in Richtung Bremerhaven gelaufen ist. Auf die Frage, ob Hamburg denn genug gegen den drohenden Imageschaden beim Verlust der Fischereiforschung tue, meint der BFAFi-Chef lakonisch: „Was Hamburg für die Forschung tut, das mag ein anderer beurteilen.“
BFAFi-Vize Uwe Harms sagt es deutlicher: „Wir sitzen seit fast 50 Jahren in Hamburg. Hier will niemand weg, vor allem nicht nach Bremerhaven.“ Allerdings fliegt das IFö Ende des Jahres aus seinem Gebäude in Hamburg Sülldorf raus: es gibt Brandschutzprobleme. Und dann wird wohl mittelfristig – trotz Jenkes Aktion – nur eines für die IFös bleiben: ab nach Bremerhaven! ksc
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