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Abschiebung von RomaWas sollen die im Kosovo?

Nach 17 Jahren in Deutschland soll ein Ehepaar in das Kosovo abgeschoben werden. Am Montag gab es eine Anhörung im Innenausschuss des Bundestags.

Für die Menschlichkeit: Protest gegen die Abschiebung von Roma in das Kosovo. Bild: dpa

BERLIN taz | 17 Jahre lang haben die Schallas in Deutschland gelebt, im vergangenen Jahr wurde das Roma-Ehepaar in das Kosovo abgeschoben. Die Frau, die in Deutschland von einem Auto überfahren und lebensgefährlich verletzt wurde, ist traumatisiert. Ein paar Monate lang wurden die Eheleute, beide Anfang 60, von dem Rückkehrprojekt URA 2 unterstützt, das vom Bund und vier Bundesländern finanziert wird. Der Mann fand einen Job im Nachbardorf, weil auch der von URA 2 gesponsert wurde.

Doch als die Förderung nach einem halben Jahr eingestellt wurde, war auch der Job weg. Seitdem lebt das Paar von 75 Euro Sozialhilfe. Vier ihrer Kinder sind in Deutschland verheiratet und haben hier selber Kinder. Auch die Eltern der Schallas leben in Deutschland - oder sind hier begraben. "Was macht dieses Ehepaar im Kosovo?", fragte Stephan Dünnwald von Pro Asyl am Montagnachmittag im Innenausschuss des Bundestags, nachdem er den Fall geschildert hatte.

Auf Antrag von Grünen und Linken hatte der Ausschuss zur Anhörung über die Abschiebung von Roma ins Kosovo geladen. Zahlreiche Experten forderten, die Abschiebungen sofort zu beenden. Derzeit leben in Deutschland etwa 13.000 Roma aus dem Kosovo, die ausreisepflichtig sind, davon 5.000 bis 6.000 Kinder. Die meisten von ihnen sind in Deutschland geboren.

Mitte des vergangenen Jahres hat sich das Innenministerium mit der kosovarischen Regierung darüber verständigt, dass auch Roma abgeschoben werden können. Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld insgesamt 541 Rückführungen in das Kosovo, betroffen waren 76 Roma. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden 263 Menschen abgeschoben, darunter 66 Roma. Künftig sollen es jährlich maximal 2.500 Abschiebungen insgesamt sein.

Sebastian Ludwig vom Diakonie-Bundesverband beschrieb, dass im Kosovo für Roma "Gefahr für Leib und Leben" bestehe. Die Existenzsicherung sei durch die hohe Arbeitslosigkeit nicht gegeben, die Gesundheitsversorgung mangelhaft, der Zugang zum Wohnungsmarkt und zu Bildung fehle. Auch würden Übergriffe nicht verfolgt. Ludwig: "Den Roma wird kein Schutz gewährt." Christian Schwarz-Schilling, ehemaliger Hoher Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, appellierte an die historische Verantwortung der Deutschen. "Jede zweite oder dritte dieser Roma-Familien hat Verwandte im KZ verloren", so Schwarz-Schilling. Auch er plädierte für einen Abschiebestopp.

Die Vertreter des niedersächsischen Innenministeriums und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sehen das anders. Es gehe nicht, dass ausreisewillige Roma "auf die Dauer unser Sozialsystem belasten", beklagte Hans-Hermann Gutzmer aus Niedersachsen. Und da auch keine Gefahr für Leib und Leben vorliege, wischte er die Argumente seiner Vorredner weg, "sollten wir an den Rückführungen festhalten".

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11 Kommentare

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  • U
    Uli

    Wer ernsthaft Arbeitsleistungen von - teilweise schwerkranken - Menschen und von Kindern fordert, hat offenbar den obigen Artikel nicht gelesen und ignoriert, das geduldete Menschen so gut wie keine Chance haben, in diesem Land eine Arbeit zu finden, die sie und ihre Familien ernähren kann. Wer Schwerkranke in ein Land mit mangelhafter medizinischer Versorgung abschieben will, nimmt deren Tod billigend in Kauf. Wer bei 10.000 Menschen davon redet, "wir könnten ja nicht die ganze Welt aufnehmen", ersetzt rationales Denken durch Totschlagargumente: Es geht nicht um die ganze Welt (ca. 6 Milliarden), sondern um ca.10.000. Wer behauptet, Deutschland hätte aus seiner Vergangenheit gelernt und gleichzeitig dafür plädiert, die Nachfahren der Menschen, die unsere Großeltern bestialischst ermordet haben in ein Land abzuschieben, wo Ihnen Diskriminierung, rassistische Verfolgung und gewalttätige Angriffe drohen, zeigt nur, das er oder sie wirklich rein gar nichts aus der Vergangenheit gelernt hat. Wer davon redet, Menschen, die hier geboren, aufgewachsen und z. T. sehr gut integriert sind, in ihre sogenannte "Heimat", die sie zu einem erheblichen Teil NIE gesehen haben, abschieben zu wollen, soll sich bitte erst einmal fragen, was für ein wirklich seltsames "Heimat"-Verständnis solchen Äußerungen zugrundeliegt. Das arabische Monarchien ihre migrantischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen z.T. wie Dreck behandeln, kann nicht ernsthaft ein Vorbild für eine westliche Demokratie sein, die sich an den Anfang des Grundgesetzes schreibt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Wer ernsthaft fordert, ein solcher Umgang solle Vorbild für Deutschland und Europa sein, sollte sich einmal Gedanken machen, was "Hire and fire"-Prinzipien für seinen eigenen Arbeitsplatz bedeuten können.

     

    An die, die es hier betrifft: Bitte hört auf mit diesem unsäglichen Nachquatschen von Populismen ("Das Boot ist voll" o.ä.), sondern steigt ein in eine wirkliche Diskussion.

  • TL
    taz Leser

    Wenn die Transferleistungen an solches Klientel aus privaten Mitteln, etwa von Linken und Grünen, bestritten werden müssten, dann wäre kein einziger Roma mehr in Deutschland.

  • B
    BerlinMarcus

    Für mich ganz einfach...wer sich durch Arbeit selbst versorgen kann darf bleiben (und das schon mind. seit 5 Jahren und nicht 3 Tagen) und wer von Transferleistungen lebt muss ausreisen ! Mit der Lösung zeigt Deutschland sein humanes Gesicht...keiner kann ernsthaft von Deutschland erwarten ein Sozialstaat für die Welt zu sein!

     

    P.S Ist der Krieg nicht schon lange vorbei und man sollte seine Heimat wieder aufbauen?!?!?

  • R
    Relax

    Die Wirtschaftskrise und Staatsverschuldung wird letztlich Fakten schaffen.

     

    Irgendwann wird es einfach nicht mehr bezahlbar sein.

     

    Ideologie hin oder her.

     

    z.B. in den Vereinigten arabischen Emiraten mussten bei Eintritt der Wirtschaftkrise alle Migranten ohne Arbeitsplatz das Land verlassen. Egal ob Philippine, Libanese oder Westeuropäer.

    Nicht mal westliche Journalisten haben sich darüber echauffiert. Das wurde einfach so hingenommen.

  • A
    abartig

    Was hier schon so steht finde ich ziemlich krass und unreflektiert.

     

    Heinz: Dort leben ? Da sind ihre Wurzeln, ihre Heimat ?

    Mag sein, auch wenn das für viele der Kinder wohl nicht mehr zutrifft. Aber würdest du in (d)ein Land abgeschoben werden wollen, wenn die Situation dort noch beschissener ist als sie es hier für Flüchtlinge und Immigranten ist, die in diesem Land nebenbei oft wie den letzten Dreck behandelt werden.

    Dein Recht hier zu wohnen und am Reichtum teilzuhaben begründet sich darauf hier deine "Wurzeln" zu haben. Na toll, dann ist das wohl wie die Lotterie: Man muss Glück haben und in einem reichen Land geboren werden das nicht vom Krieg zerstört ist.

    Du machst also einen Unterschied zwischen Menschen aufgrund ihrer Nationalität. Aber betrachte doch einfach mal alle NUR als Menschen. Dann ist das was du schreibst absolut abwertend.

     

    Es ist WM der Nationalismus flammt wieder auf!

    Ich könnte kotzen!

  • R
    Realist

    Ach, hohe Arbeitslosigkeit ist gegeben, schlechte Gesundheitsversorgung. Das mit der Arbeitslosigkeit kenne ich auch von hier!

    Da sind wir wieder beim Kernproblem, Grüne und andere Gutmenschen wollen das Sozialamt der Welt sein, aber wer soll das bezahlen? "Wir" natürlich, hernach haben "Wir" dann über unsere Verhältnisse gelebt und müssen sparen. Alternativlos, versteht sich!

  • A
    ari

    andere frage:

     

    was haben die hier zu suchen? der krieg ist vorbei, also können die auch wieder zurück nach hause. wir sind nicht das sozialamt der welt, man hat aber oft das gefühl.

  • F
    Fairbleiben

    Ich sehe hier absolut kein Problem:

    Lieber dort von der Sozialhilfe leben als hier.

  • V
    vantast

    Die Ungleichbehandlung von Juden und Zigeunern ist üblich und empörend. Gegenüber den einen ist man aus taktischen, politischen Gründen bis zur Selbstverleugnung entgegenkommend, den anderen gegenüber ehrlich und abweisend. Hinter den Roma steht eben keine Macht, wir können uns ihnen gegenüber als Herren im eigenen Haus aufspielen und ihnen zeigen, daß sie als Fremde unerwünscht sind. Wir mögen nicht jeden, höchstens ihre Musik.

    Leider geht es nicht nur uns so, auch in anderen demokratisch wenig entwickelten Ländern, wie Ungarn, lehnt man sie ab. Jeder glaubt, besser zu sein, als der andere. Die Ausländerfeindlichkeit der CDU/CSU ist sprichwörtlich, "wir sind kein Einwanderungsland!","Wo kann man gegen Ausländer unterschreiben?"

  • HA
    Heinz-Rüdiger Adleg

    Was sollen die im Kosovo ???

     

    Na dort leben. Es ist schließlich ihre Heimat.

     

    Dort gehören sie hin. Und das ist nicht abwertend gemeint. Dort liegen ihre Wurzeln, dort ist ihre Herkunft, dort werden sie wieder leben.

  • S
    sauer

    am besten wir nehmen gleich die ganze Welt auf.